Vor vier Jahren wurde Oscar Romero heiliggesprochen

Ikone und Nationalheld

Vor vier Jahren wurde Oscar Romero heiliggesprochen. Als "Bischof der Armen" wird er in seiner Heimat El Salvador und darüber hinaus verehrt. Das war nicht immer so, wie ein scharfer Blick nach Mittelamerika zeigt.

Autor/in:
Joachim Heinz
Statue von Oscar Romero / © Francisco Rubio (KNA)
Statue von Oscar Romero / © Francisco Rubio ( KNA )

Sein Konterfei prangt auf Bechern und T-Shirts, es gibt ihn als Wandbild und überlebensgroße Büste. In den Kirchen hängt sein Porträt, dem wichtigsten Flughafen des Landes leiht er seinen Namen.

Oscar Romero ist in seiner Heimat El Salvador allgegenwärtig: als Ikone und Nationalheld; als Symbol für die Hoffnung auf Frieden in einem Staat, dessen Gesellschaft tief gespalten ist - auch mehr als 25 Jahre nach dem Ende jenes blutigen Bürgerkriegs, der mit dem von der Militärjunta betriebenen Attentat auf den Erzbischof von San Salvador begann.

Bild von Oscar Romero, Erzbischof von San Salvador, bei dessen Heiligsprechung / © Cristian Gennari (KNA)
Bild von Oscar Romero, Erzbischof von San Salvador, bei dessen Heiligsprechung / © Cristian Gennari ( KNA )

2018 heiliggesprochen

Und doch steht Romero noch gar nicht so lange derart hoch im Kurs. Als "umstrittene Figur" charakterisiert ihn Kardinal Gregorio Rosa Chavez. Erst nachdem Papst Franziskus ihn 2018 heiliggesprochen habe, habe eine Neuentdeckung des Menschen Romero eingesetzt, so Kardinal Chavez, der sich maßgeblich für diesen Schritt einsetzte.

Kardinal Gregorio Rosa Chavez / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Kardinal Gregorio Rosa Chavez / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Auch in den eigenen Reihen war man uneins über Romero. Kurz nach der Heiligsprechung bat der aktuelle Erzbischof von San Salvador, Jose Luis Escobar Alas, öffentlich um Vergebung "für jenen Teil der Kirche, der Romero schlecht behandelt und diffamiert hat, einschließlich seiner Mitbischöfe".

Das Erbe des Heiligen bleibt sperrig. Sein Werdegang von einem eher konservativen Kirchenmann, der sich aus den Konflikten zwischen dem Militär und der linksgerichteten FMLN-Guerilla heraushalten wollte, zum Sympathisanten der innerkirchlich lange umstrittenen "Theologie der Befreiung" und scharfzüngigen Kritiker der Regierung entzieht sich einfachen Deutungen.

Eine Art Heilsbringer

Heute gilt Romero vielen Menschen als eine Art Heilsbringer, egal welchem religiösen der politischen Bekenntnis sie anhängen. Ein wichtiger Gedenkort ist die Krankenhauskapelle "Ospitalito" in San Salvador. Hier wurde Romero am 24. März 1980 mit einem gezielten Schuss aus einem vorbeifahrenden Auto getötet. Im Altarraum ist eine Silhouette an der Stelle eingelassen, wo der Geistliche zusammenbrach. Wer die Tat beging, ist immer noch unklar. Der Drahtzieher, ARENA-Gründer und Geheimdienstler Roberto D'Aubuisson, starb 1992, ohne dass er sich je vor Gericht hätte verantworten müssen.

Mit Romeros Geschichte eng verknüpft ist ein weiteres Gotteshaus, die Kirche San Jose in El Paisnal, etwa 40 Kilometer nördlich von San Salvador. Ganz in der Nähe, in Aguilares, leitete der Jesuit Rutilio Grande eine Pfarrei. Zeitzeugen erinnern sich, wie der Pater immer wieder die Ausbeutung von Landarbeitern anprangerte und dadurch die Besitzer der großen Plantagen gegen sich aufbrachte.

Einsatz für Gerechtigkeit

"Er hat Gerechtigkeit gepredigt", sagen sie über Rutilio Grande. Der Ordensmann bezahlte mit seinem Leben. Am 12. März 1977 wurde er zusammen mit zwei Begleitern auf einem Zuckerrohrfeld erschossen. Die Bluttat brachte eine Wende in der Haltung der Kirche gegenüber den Armen El Salvadors - und einen Gesinnungswandel bei Romero, der in El Paisnal die Totenmesse hielt und Aufklärung des Verbrechens forderte. In der Folge geriet auch Romero immer stärker ins Fadenkreuz von Großgrundbesitzern und Militärs. "Mich könnt ihr töten, nicht aber die Stimme der Gerechtigkeit", rief der Erzbischof in seiner letzten Predigt aus.

Gerechtigkeit hat auch ein halbes Menschenleben nach der Ermordung von Grande und Romero nicht Einzug gehalten. Ende Januar mahnte Romeros Nachfolger auf dem Bischofsstuhl von San Salvador, Erzbischof Jose Luis Escobar Alas, die während des Bürgerkriegs begangenen Verbrechen aufzuklären. Immer noch wüssten viele Hinterbliebene nicht, wo die sterblichen Überreste ihrer Angehörigen liegen. "Die Zeit heilt nicht die Wunden; im Gegenteil, sie werden noch tiefer."

Seine letzte Ruhestätte hat Romero in der Krypta der Kathedrale von San Salvador gefunden. Jeden Tag pilgern Menschen aus allen Schichten hierher, um vor dem Grab in stillem Gebet zu verharren. Es scheint, als ob ein Toter schafft, was den Lebenden immer noch so schwer fällt: das Land mit seiner schwierigen Geschichte zu versöhnen.

El Salvador

Flagge El Salvadors flattert im Wind / © Creative Photo Corner (shutterstock)
Flagge El Salvadors flattert im Wind / © Creative Photo Corner ( shutterstock )

El Salvador ist das kleinste Land Mittelamerikas. Zugleich weist es die höchste Bevölkerungsdichte in der Region auf. Auf einer Fläche von rund 21.000 Quadratkilometern - das entspricht etwa der Größe Hessens - leben 6,5 Millionen Menschen. Hauptstadt ist San Salvador. Etwa 50 Prozent der Bevölkerung gehören der katholischen Kirche an; etwa 40 Prozent sind Protestanten, Tendenz steigend.

Quelle:
KNA