Vor Merkels Türkei-Besuch nächste Woche sind viele Punkte ungeklärt

Mit Fragezeichen nach Ankara

Ab Montag ist Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Türkei. Mit ihrem Amtskollegen Erdogan wird sie viele umstrittene Themen besprechen müssen: türkische Gymnasien in Deutschland, EU-Beitritt, Religionsfreiheit. domradio.de mit einem Überblick.

Autor/in:
Michael Borgers
 (DR)

Der aktuelle Vorstoß des türkischen Ministerpräsidenten, so viel ist schon jetzt sicher, findet in Deutschland keine Befürworter. Alle - und schon viele haben sich seit Erdogans Interview mit der Zeitung "Die Welt" gemeldet - sind sich einig: Die Idee führt nicht weiter. Das findet auch Angela Merkel, die sich vorsichtig ablehnend äußerte: "Grundsätzlich sollten türkischstämmige Kinder und Jugendliche bei uns in deutsche Schulen gehen."

Erdogan hatte seinen erstmals 2008 gemachten Vorschlag in einem Zeitungsinterview bekräftigt und mit den Sprachproblemen vieler der 2,7 Millionen in Deutschland lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln begründet. "In der Türkei haben wir deutsche Gymnasien - warum sollte es keine türkischen Gymnasien in Deutschland geben?", fragte er.

Der Grünen-Politiker Ströbele erkennt darin einen "nationalen Ton", der ihm überhaupt nicht gefalle. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Krauss, nennt die Idee "inakzeptabel und anti-integrativ". Und auch unter Deutsch-Türken stößt die Forderung auf Ablehnung. "Wenn Erdogan damit sagen will, dass der Unterricht in solchen Gymnasien komplett auf Türkisch stattfinden soll, halten wir das für einen großen Fehler", so der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat.

EU-Beitritt
Die Kanzlerin wird Anfang kommender Woche in die Türkei reisen. Bei dem Besuch wird es auch um die Frage nach einer möglichen EU-Mitgliedschaft des Landes gehen. Merkel betonte erneut, dass sie nach wie vor eine "privilegierte Partnerschaft" befürworte. Beim Thema EU-Mitgliedschaft seien Erdogan und sie bereits seit Langem unterschiedlicher Meinung.

"Dennoch gilt für die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, dass Verträge einzuhalten sind", erklärte die Regierungschefin. "In diesem Sinne führt die EU seit Jahren ergebnisoffene Verhandlungen über einen möglichen EU-Beitritt der Türkei."

In den Streit um die Pauluskirche im türkischen Tarsus kam zuletzt Bewegung. Das Ministerium für Tourismus und Kultur in Ankara entschied Mitte März, die Museumskirche dauerhaft für Gottesdienste freizugeben. Es gibt allerdings nur eine mündliche Zusage.

Religionsfreiheit
Die Kirche in Tarsus, dem Geburtsort des Apostels Paulus, war während des vergangenen Paulusjahres der katholischen Kirche vorübergehend für Gottesdienste geöffnet worden, diente seitdem aber wieder als Museum. Auch die katholische Kirche in Deutschland hatte die Türkei mehrmals aufgerufen, eine dauerhafte Nutzung der Kirche als Gotteshaus zu erlauben.

Anfang Januar sprach sich das staatliche Religionsamt in der Türkei in diesem Sinn aus. "Leere Worte", kommentierte damals Ottmar Oehring, Türkei-Experte des katholischen Hilfswerks "Missio" gegenüber domradio.de. Auch "Kirche in Not" schätzt die Situation so ein und forderte sichtbare Zeichen. Ob die Zusage des Ministeriums für Tourismus und Kultur ein solches Zeichen ist, bleibt abzuwarten. Auch ob Angela Merkel das Thema ansprechen wird. Angekündigt hat sie es nicht.