Vor einem Jahr begann der Dialogprozess in der katholischen Kirche

"Kirchenkrise" oder "Gotteskrise"

Vor einem Jahr hat die Deutsche Bischofskonferenz in Fulda einen Dialogprozess in der katholischen Kirche in Deutschland auf den Weg gebracht. In dieser Woche wollen die Bischöfe in Fulda eine Zwischenbilanz ziehen. Fest steht schon jetzt: Der Prozess ist eine Gratwanderung.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Alois Glück ist begeisterter Bergsteiger. "Wenn man eine Bergtour plant, muss man irgendwann einfach losgehen", hat der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) einmal erklärt. "Und wenn das Gelände schwieriger wird, dann macht man kleinere Schritte."



Auf einer solch schwierigen Bergtour sieht der CSU-Politiker derzeit die katholische Kirche in Deutschland. Vor genau einem Jahr hat der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, bei der Herbstvollversammlung der Bischöfe in Fulda einen Dialogprozess auf den Weg gebracht, der die Kirche aus der tiefsten Vertrauenskrise seit langem führen soll. Ab Dienstag treffen sich die 68 Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe erneut in der hessischen Barockstadt, um eine Zwischenbilanz zu ziehen.



Zollitschs Analyse war von Selbstkritik geprägt. Nicht nur, dass der Freiburger Erzbischof von "bohrenden Zweifeln" gegenüber kirchlichen Lehrmeinungen sprach. Die Bischöfe träten zu sehr als Wissende und zu wenig als Lernende auf, gab er die Meinung vieler Katholiken wider. Statistiken unterstreichen die Krise: Umfragen messen nicht zuletzt infolge des Missbrauchsskandals ein massiv gesunkenes Vertrauen in Bischöfe, Priester und Lehraussagen. 2010 haben mit mehr als 181.000 so viele Katholiken der Kirche den Rücken gekehrt wie seit zwei Jahrzehnten nicht.



Grund genug also für den "Reflektionsprozess" auf vielen kirchlichen Ebenen. Geplant sind bis 2015 eine Reihe Kongresse, die sich mit der Frage beschäftigen, wie Glaube und Kirche in der modernen Gesellschaft gelebt werden können. Der Auftakt im Juli in Mannheim wurde weithin als Erfolg bewertet. Darüber hinaus sollen Großveranstaltungen den Weg der Kirche aus der Talsohle unterstützen: der gerade beendete Papstbesuch gehört ebenso dazu wie die Katholikentage 2012 und 2014. Ebenfalls Teil des Dialogs sind zwei von Bischofskonferenz und ZdK auf den Weg gebrachte Arbeitsprojekte, in denen etwa intensiv über neue Dienste der Laien in der Kirche nachgedacht wird.



Dialogprozess ist Gratwanderung

Trotz des ausgefeilten Konzepts: Der Dialogprozess ist eine Gratwanderung: "Kirchenkrise" oder "Gotteskrise", so lauten die Positionen, um die sich die Debatte dreht. Dass manche Traditionen der Kirche überholt seien, bekundeten etwa eine Reihe katholischer CDU-Politiker um Bundestagspräsident Norbert Lammert und Bildungsministerin Annette Schavan. Sie formulierten ihren dringenden Wunsch nach einer Priesterweihe erprobter verheirateter Männer.



Auch das im Februar veröffentlichte Memorandum von mehr als 300 Theologieprofessoren spricht von einer Krise der Institution. Notwendig seien mehr Beteiligung der Gläubigen an der Bestellung von Amtsträgern, die Priesterweihe auch von Verheirateten und eine andere Sexualmoral. Die Aufregung war groß: Schon wurden von konservativer Seite Gerüchte über eine Kirchenspaltung gestreut.



Und der Papst

Auf der anderen Seite stehen die, die vor allem eine Glaubenskrise sehen. Die Kirche dürfe sich nicht der Moderne anpassen, mahnten etwa die Unterzeichner der "Petition Pro Ecclesia". Sie appellieren an die Bischöfe, den Pflichtzölibat zu erhalten und traditionelle Glaubensinhalte zu verteidigen. auch unter den Bischöfen zeigen sich Differenzen. Als Zollitsch kürzlich die Erwartung bekundete, dass die Kirche anders mit wiederverheirateten Geschiedenen umgehen werde, distanzierte sich Kardinal Joachim Meisner umgehend und betonte die Unauflöslichkeit der Ehe.



Mit Spannung wurde erwartet, welche Position der Papst einnehmen würde. Im Gespräch mit deutschen Bischöfen hatte er im August in Castel Gandolfo Unterstützung für den Dialog signalisiert und betont, es handele sich um einen geistlichen Prozess. In Deutschland selber äußerte er sich nur indirekt: mit Mahnungen zur Papst-Treue und mit der Kritik, dass die deutsche Kirche stark sei an Strukturen, aber es an geistlicher Kraft vermissen lasse. Stefan Vesper, Generalsekretär des ZdK, findet es ermutigend, dass Benedikt XVI. dem Dialogprozess keine Hindernisse in den Weg gelegt hat. Das zeigt für ihn: "Unsere Probleme müssen wir selbst lösen."