Vor 8o Jahren gab es das Massaker in Ardeatinischen Höhlen

Italiens Märtyrer gegen deutsche Besatzung

Für die deutsch-italienischen Beziehungen ist der 24. März 1944 ein dunkler Tag. Ein Mausoleum am Stadtrand Roms erinnert an das größte Vergeltungsmassaker der NS-Besatzer an Italiens Zivilisten. 335 Italiener starben in fünf Stunden.

Autor/in:
Roland Juchem
Blick in einer der Kammern der Tuffsteinhöhle in der Gedenkstätte Ardeatinische Höhlen Rom. / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliano (KNA)
Blick in einer der Kammern der Tuffsteinhöhle in der Gedenkstätte Ardeatinische Höhlen Rom. / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliano ( KNA )

Die antiken Katakomben im Südosten Roms sind ein beliebtes Reiseziel - nicht nur für christliche Besucher der Ewigen Stadt. Was vielen aber nicht bewusst ist: Ganz in der Nähe gibt es eine wesentlich jüngere Grabanlage, die gerade unter deutschen Touristen oft Beklemmung auslöst - das Mausoleum der Ardeatinischen Höhlen.

Am 24. März 1944 fand dort ein Massaker statt, das bis heute einen Schatten auf das deutsch-italienische Verhältnis wirft. In den Sandsteinhöhlen am Stadtrand erschossen damals Soldaten der SS 335 italienische Zivilisten. Als Vergeltung für ein Attentat, bei dem tags zuvor 33 Angehörige des Polizeiregiments "Bozen", Teil der deutschen Besatzung Roms, getötet wurden. Zum 80-jährigen Gedenken reist Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) nach Rom.

Italienische Kollaboration

Angeordnet worden war die Hinrichtung von führenden Männern der Wehrmacht; vorgenommen wurde sie vom Kommandeur der Sicherheitspolizei in Rom, SS-Obersturmbannführer Herbert Kappler. Adolf Hitler selbst war an einem Punkt in die Entscheidung eingebunden.

Kapplers Vorschlag war es, für jeden bei dem Attentat getöteten Deutschen zehn Italiener zu erschießen. Die berechneten 330 Opfer wollte Kappler in den Todeszellen der SS-Gefängnisse auftreiben. Weil deren Zahl nicht ausreichte, überwies ihm Italiens faschistischer Polizeichef Pietro Caruso 50 weitere Insassen römischer Gefängnisse und Straflager. Weiterhin fehlende sowie fünf zusätzliche Opfer suchte Kappler unter Juden aus, die auf die Deportation warteten.

Fünf Stunden Hinrichtung

Der begehbare Teil der Gedenkstätte Ardeatinische Höhlen Rom in den Tuffsteinhöhlen wird mit Gitter vom Rest abgesperrt. / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliano (KNA)
Der begehbare Teil der Gedenkstätte Ardeatinische Höhlen Rom in den Tuffsteinhöhlen wird mit Gitter vom Rest abgesperrt. / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliano ( KNA )

Am Nachmittag des 24. März wurden die Gefangenen - Männer zwischen 15 und 74 Jahren - auf Lastwagen zu den Höhlen verfrachtet. In Gruppen zu fünft hineingeführt mussten sie sich hinknien und wurden auf Kommando per Genickschuss getötet. SS-Hauptsturmführer Erich Priebke strich ihre Namen von der Liste.

Fünf Stunden lang dauerten die Hinrichtungen, an denen gut 80 SS-Männer beteiligt waren. Als die Leichenberge zu hoch wurden, mussten sich die neuen Opfer auf die bereits Erschossenen legen. Ob die Opfer tot waren, wurde nicht kontrolliert. Am Ende wurden die Höhlen gesprengt.

Vergeltung?

Das vorausgegangene Attentat durch Mitglieder der kommunistischen "Resistenza" war lange geplant gewesen: zum 25. Gründungsjahrestag der "Schwarzhemden", Mussolinis faschistischer Kampfbünde. Nahe des Palazzo Barberini zündeten Partisanen in einem Müllkarren eine Bombe - genau in dem Moment, als ein Trupp deutscher Soldaten vorbeizog. Von 156 Soldaten starben 33, dazu zwei italienische Zivilisten.

Blumen vor Gräbern im Mausoleum in der Gedenkstätte Ardeatinische Höhlen Rom. / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliano (KNA)
Blumen vor Gräbern im Mausoleum in der Gedenkstätte Ardeatinische Höhlen Rom. / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliano ( KNA )

Es war der größte Anschlag italienischer Partisanen gegen Wehrmachtsangehörige im Zweiten Weltkrieg. Wie auch die Vergeltungsmaßnahme in den Ardeatinischen Höhlen das größte von Deutschen verübten Massaker in Italien während des Zweiten Weltkriegs war.

Geiselerschießung

Erst am Folgetag, dem 25. März, informierten die Besatzer in den Medien über die Ereignisse. Im "Osservatore Romano" vom 26. März verurteilte Papst Pius XII. sowohl das Attentat als auch das Vergeltungsmassaker. Lange Jahre währte ein Streit, ob der Papst gegen die Erschießung der 335 Italiener nicht schon tags zuvor hätte protestieren müssen.

Die juristische Aufarbeitung der Geiselerschießungen zog sich mit Unterbrechungen bis in die 1990er Jahre. Herbert Kappler wurde 1948 von einem Militärgericht in Rom wegen aller 335 Tötungen für schuldig gesprochen. Im August 1977 konnte er, zu dieser Zeit schwer krebskrank, aus einem römischen Militärkrankenhaus fliehen. Er starb ein halbes Jahr später.

Mausoleum als Symbol

SS-Hauptsturmführer Erich Priebke, der bei den Hinrichtungen Buch führte und selbst auch schoss, war nach Argentinien untergetaucht. 50 Jahre lebte er dort unbehelligt. Er wurde durch US-amerikanische Medienrecherchen entlarvt und 1996 an Italien ausgeliefert. Ein Gericht verurteilte den 85-Jährigen als Kriegsverbrecher zu lebenslanger Haft, wandelte die Strafe aber aus Altersgründen in Hausarrest um. Priebke starb hundertjährig 2013.

Der Blick in das Mausoleum der Gedenkstätte Ardeatinische Höhlen Rom. / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliano (KNA)
Der Blick in das Mausoleum der Gedenkstätte Ardeatinische Höhlen Rom. / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliano ( KNA )

Die 335 Opfer des Massakers wurden bald nach Kriegsende in den freigegrabenen Höhlen geborgen und ganz in der Nähe in Sarkophagen bestattet. Das 1949 fertiggestellte Mausoleum an den "Fosse Ardeatine" ist für Italiener bis heute das Symbol schlechthin für die deutsche Besetzung Italiens vom September 1943 bis April 1945. Am Eingang des Areals steht eine überdimensionale Skulptur dreier gefesselter Figuren. Sie trägt den Titel "I Martiri - Die Märtyrer".

Quelle:
KNA