Vor 70 Jahren starb der Gefangenenseelsorger Franz Stock

Wegbereiter für die Aussöhnung

Weil er selbst Teil der leidvollen deutsch-französischen Geschichte war, konnte der deutsche Priester Franz Stock auch ein Wegbereiter für die spätere Wiederannäherung von Deutschen und Franzosen werden.

 Grab von Abbe Franz Stock in Chartre / © N.N. (KNA)
Grab von Abbe Franz Stock in Chartre / © N.N. ( KNA )

Die Franzosen nannten ihn einst "Seelsorger in der Hölle". Mehr als 2.000 französische Widerstandskämpfer, Juden und deutsche Soldaten hat der aus Westfalen stammende katholische Priester Franz Stock während der Nazi-Herrschaft in Paris auf den Tod vorbereitet und sie zur Hinrichtungsstätte in der Festung Mont Valerien begleitet.

Am 24. Februar jährt sich sein Todestag zum 70. Mal.

Wegbereiter der Verständigung

Stock hat deutsch-französische Geschichte erlitten und wurde dadurch zu einem Wegbereiter der Verständigung nach dem Zweiten Weltkrieg. In Frankreich ist er bekannter als in Deutschland. Zu Jahresbeginn erinnerte sogar der französische Staatspräsident Emmanuel Macron an ihn.

"Und dieses Jahr 1948 war auch das Todesjahr des Priesters Franz Stock, der so viel für die Annäherung zwischen Franzosen und Deutschen getan hat", sagte er in einer Ansprache vor den religiösen Repräsentanten Frankreichs. Von 2009 bis 2013 wurde in seinem Heimatbistum Paderborn die erste Phase eines Seligsprechungsverfahren durchgeführt, fünf Jahre später wurde das Römische Seligsprechungsverfahren eröffnet.

Friedenstreffen prägte den Priester

Stock, der 1904 als erstes von neun Kindern einer Arbeiterfamilie im sauerländischen Neheim geboren wurde, gehörte der Quickborn-Bewegung an. Die Teilnahme an einem Friedenstreffen junger Europäer in Frankreich 1926 prägte ihn.

Zwei Jahre später ging er zum Studium an das Institut Catholique in Paris, wo er der erste deutsche Theologiestudent nach dem Ersten Weltkrieg war. 1934 übernahm er die Leitung der deutschen Pfarrei in Paris. Bald kam er nicht nur mit deutschen Botschaftsangehörigen, sondern auch mit Flüchtlingen aus Nazi-Deutschland zusammen.

Nebenamt: Seelsorge für Gefangene

Nach dem Einmarsch der Deutschen in Frankreich 1940 kümmerte Stock sich im Nebenamt um Gefangene. Als die Gestapo französischen Geistlichen den Zugang zu den zum Tode verurteilten Landsleuten verweigerte, meldete er sich freiwillig. Er spendete die Sterbesakramente, sprach Trost zu und las auch jüdischen Häftlingen aus dem Alten Testament vor. Heimlich informierte er Angehörige und warnte Widerstandskämpfer.

Seine Tagebücher, im vergangenen Jahr im Herder Verlag erstmals veröffentlicht, und seine Briefe aus dieser Zeit sind erschütternde Dokumente. "Ich meine oft, ich könnte nicht mehr", schrieb der schwer herzkranke Geistliche an einen Freund. "Was ich hier erlebe, ist so furchtbar, dass ich nächtelang schlaflos liege."

Die Befreiung von Paris am 28. August 1944 setzte diesem Wirken ein Ende. Der Seelsorger der Gefangenen kam selbst in Gefangenschaft.

"Priesterseminar hinter Stacheldraht"

Doch französische Priester gaben seiner Inhaftierung einen Sinn: Zuerst in Orleans und später in Chartres vor der Kulisse der berühmten Kathedrale kam es zur Gründung eines "Priesterseminars hinter Stacheldraht", dessen Leiter Stock wurde. Die Einrichtung ermöglichte bis 1947 fast tausend, meist deutschen Theologiestudenten ein Studium in Gefangenschaft; sie war zugleich das vielleicht größte katholische Priesterseminar aller Zeiten.

"Wir sind überzeugt", schrieben die französischen Geistlichen, "dass das Werk einen großen nachhaltigen Einfluss auf die gegenseitige Verständigung unserer beiden Länder haben wird." Und der päpstliche Nuntius Angelo Giuseppe Roncalli, der spätere Papst Johannes XXIII., sagte bei einem Lagerbesuch: "Das Seminar gereicht sowohl Frankreich wie Deutschland zum Ruhm. Franz Stock, das ist kein Name – das ist ein Programm."

Würdigung als "Symbol der Versöhnung"

Entkräftet und einsam starb Stock 43-jährig am 24. Februar 1948 in Paris an seinem Herzleiden. Zunächst wurde er auf dem Pariser Friedhof Thias beerdigt, wo er beinahe in einem Massengrab verscharrt worden wäre. Doch schon 1949 fand eine öffentliche Gedenkfeier im Invalidendom statt.

Im Sommer 1963 wurde sein Leichnam nach Chartres überführt. Konrad Adenauer, Charles de Gaulle, Helmut Kohl, Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy würdigten ihn als Symbol für Versöhnung. Am Standort des "Priesterseminars hinter Stacheldraht" eröffnete 2007 eine europäische Jugendbegegnungsstätte.

Christoph Arens


Quelle:
KNA
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