Vor 500 Jahren wurde Johannes Calvin geboren

Der eiserne Reformator

Ulrich Zwingli war es, der in Zürich die Grundlagen des reformierten Zweiges des Protestantismus schuf - mit einem neuen Verständnis von Kirche und Sakramenten, vor allem des Abendmahls. Dieses galt fortan als Zeichenhandlung ohne Verwandlung in Leib und Blut Christi. Doch nicht Zwingli, sondern Johannes Calvin in Genf gab den Reformierten jene kirchliche Form, die sich schließlich über den ganzen Globus ausbreitete. Zum Reformierten Weltbund (RWB) gehören heute mehr als 75 Millionen Christen in 100 Ländern.

Autor/in:
Anselm Verbeek und Bernd Buchner
 (DR)

Der Gründervater des Calvinismus wurde vor 500 Jahren, am 10. Juli 1509, als Jean Cauvin im französischen Noyon geboren. Sein Vater war Vermögensverwalter des dortigen Bistums, die Mutter stammte aus Flamen. Hochbegabt, frühreif und lebensernst, wurde der 14-Jährige zum Studium nach Paris geschickt, um sich auf die geistliche Karriere vorzubereiten. Doch bald wechselte er, studierte Jura in Orleans und Bourges.

Der Student mit den blass ovalen Gesichtszügen, deren markante Strenge durch einen Spitzbart betont wurde, warf seine ganze Kraft auf die humanistischen Studien. Diese weckten in ihm «einen gewissen Geschmack an der wahren evangelischen Frömmigkeit», wie er später schrieb. Nicht zuletzt begann damit das große geistige Ringen um den wahren Glauben. Spätestens im Herbst 1533 war aus dem Humanisten Calvin ein Anhänger der reformatorischen Lehre geworden. Gemeinsam mit einem Freund musste er nach einer kritischen Rede aus Paris flüchten.

Noch ehe der spätere Reformator im Juli 1536 zum ersten Mal Genf betrat, war die erste Ausgabe der «Christianae religionis Institutio» erschienen, das Hauptwerk Calvins. Darin verwahrte er sich unter anderem gegen Spaltungsvorwürfe, lehnte aber eine Festlegung auf die sichtbare Gestalt der Kirche im römischen Stuhl ab. Wesensmerkmale der Kirche waren nach seiner Auffassung «die reine Predigt des Wortes und die gesetzmäßige Verwaltung der Sakramente». Hinzu kamen Bilderverbot, Abendmahl in beiderlei Gestalt, Priesterehe und besonders die Gültigkeit von Christi Wort in allen Lebensbereichen.

In Genf versuchte Calvin, sein Programm in die Praxis umzusetzen.
Gemeinsam mit Guillaume Farel verfasste er eine Kirchenordnung und ein Glaubensbekenntnis, auf das alle 10.000 Bürger schwören sollten.
Umstritten war vor allem die Exkommunikation als Strafmittel der Kirchenzucht, die den Einwohnern strenge Verhaltensmaßregeln auflegte. Bald verloren die Erneuerer den Rückhalt im Stadtrat, Calvin musste Genf verlassen.

Erst 1541 kehrte Johannes Calvin, inzwischen verheiratet, in die Stadt zurück. Seine Kirchenordnung wurde nun gegen heftigen Widerstand durchgesetzt. Mit brutaler Härte regierte das vermeintliche Gesetz der Bibel - im calvinischen Modellstaat gab es keine Vergnügungen wie Tanz, Theater, Karten- und Würfelspiel, auf Ehebruch und Homosexualität stand die Todesstrafe. Zur Abschreckung stand zeitweilig der Galgen vor der Kirche. Traurige Berühmtheit erlangte 1553 der Ketzerprozess gegen den spanischen Arzt Michael Servet, der die Trinität leugnete und auf Betreiben Calvins verbrannt wurde.

In seinen letzten Jahren entfaltete der Reformator noch einmal eine titanische Wirksamkeit, die er bis zu seinem Tod am 27. Mai 1564 seiner zerrütteten Gesundheit abrang. Calvin war zuerst Exeget: Fast alle Bücher der Bibel kommentierte er, mehr als 2.000 Predigten und rund 1.370 Briefe sind erhalten. Von seinen theologischen Lehren dürfte die Auffassung von der doppelten Prädestination des Menschen, derzufolge er nur Erwählte und Verdammte gibt, die nachhaltigste Wirkung ausgeübt haben. Calvin selbst indes wurde zeitlebens von dem Gefühl getragen, nur ein Pilger, ein Fremdling in der Welt zu sein.