Über den Sohn eines Handschuhmachers aus Stratford-upon-Avon wissen wir nur wenig. Es gibt keine persönlichen Zeugnisse, keine Briefe, kein Tagebuch – nichts Autobiografisches, was uns helfen könnte, das Werk von Shakespeare zu entschlüsseln. "Man könnte ihn als eine große kollektive Phantasie bezeichnen", sagt Frank Günther: "in die jeder sein eigenes Shakespeare Bild hinein projeziert. Er ist weniger ein konkreter Mensch als eine Ikone, ein Mythos, als ein zum Symbol für das theatralische gewordene seltsame Gestalt, die eigentlich von jedem anders gemalt, gezeichnet und gesehen wird".
Im Werk Shakespeares finden sich keine religiösen Vorlieben. "Es gibt keine Botschaft, kein Bekenntnis, keinen Leitfaden, der lebenstüchtiger macht", sagt Günther. Und auch der Regisseur Christian Stückl sieht Shakespeares Figuren, wenn überhaupt „von einem großen Zweifel an Gott“ geprägt. Dem Münchner Kirchenradio sagte Stückl, dass König Lear oder Hamlet gottverlassene, einsame Menschen sind, die am Ende allein bleiben. Von niederen Begierden wie Eifersucht, Machthunger oder Neid getrieben irren sie durch das Dasein. Und wenn ein Pater auftaucht, wie Pater Lorenzo in Romeo und Julia, dann mag er es zwar gut meinen, erreicht aber mit seinem Handeln genau das Gegenteil einer friedlichen Welt: "Am Ende liegen zwei tote Kinder auf der Bühne".