Vor 250 Jahren verbot der Vatikan die papsttreuen Jesuiten

Zu erfolgreich für den Papst?

Nach rasantem Aufstieg waren die Jesuiten über Jahrhunderte besonderen Anfeindungen ausgesetzt. Mitte des 18. Jahrhunderts kippte das Wohlwollen der Könige. Vor 250 Jahren wurde der Orden verboten. Und das vom Papst.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Jesuiten / © Severina Bartonitschek (KNA)
Jesuiten / © Severina Bartonitschek ( KNA )

Ihr Erfolg war oft auch ihr Verderb. Schon seit ihrer Gründung im 16. Jahrhundert hafteten den Jesuiten viele Vorurteile an, die sich teils bis heute gehalten haben. Intrigant seien sie und stellten den Vorteil des Ordens über alles andere: So konnten politische Gegner und Neider den erfolgreichen Jesuitenorden über die Jahrhunderte immer wieder diskreditieren.

In Lateinamerika etwa waren die Jesuiten missionarisch wie wirtschaftlich so effizient, dass sie Neid erweckten. Die "Neue Welt" zog Abenteurer und Glücksritter an, deren Eroberungen die spanische Krone als Verbreitung des Christentums verklärte; dabei wurden Ureinwohner zu Zwangsarbeit gezwungen. Abhilfe schufen vor allem die sogenannten Reduktionen der Jesuiten, in denen Einheimische zusammenlebten und -arbeiteten, um sie gegen Versklavung und Ausbeutung durch die weltlichen Eroberer zu schützen.

Erfolgreich in der neuen Welt

Ab 1610 richtete der Orden im heutigen Paraguay, in Argentinien, Brasilien und Bolivien selbstverwaltete Reduktionen zum Schutz vor Sklavenhändlern ein. Organisiert waren sie in Dörfern von rund 400 bis 7.000 Einwohnern.

Allein in den 30 Reduktionen des Guarani-Volkes lebten in den 1730er Jahren rund 140.000 Menschen. Mehr als 700.000 Indigene sollen dort bis 1768 getauft worden sein - und getaufte Indigene durften gemäß königlichem Erlass nicht mehr versklavt werden. Die Jesuiten waren Seelsorger, Ärzte, Ökonomen und Ingenieure, Lehrer und Ausbilder, Bürgermeister und Richter ihrer Gebiete. Neben den Produkten für den eigenen Bedarf wurden bald auch Export- und Luxusgüter hergestellt: Baumwolle, Indigo, Tabak und Mate. Auf die Erlöse wurden Steuern an die spanische Krone entrichtet.

Alexander Brüggemann

"Die Jesuiten waren Seelsorger, Ärzte, Ökonomen und Ingenieure, Lehrer und Ausbilder, Bürgermeister und Richter ihrer Gebiete."

Der außergewöhnliche Erfolg der Reduktionen - mit einer austarierten Mischung aus Privat- und Gemeinschaftsbesitz - rief Neider verschiedenster Couleur auf den Plan. Militärs, Händler und Kaufleute, Großgrundbesitzer, teils sogar Bischöfe beklagten sich fortwährend über den Orden - und scheuten auch vor unlauteren Mitteln nicht zurück. In den 1630er Jahren wurden ganze Indio-Dörfer niedergebrannt, die Bewohner ermordet oder versklavt.

Vergeblich baten die Jesuiten die Monarchen um Schutz. Doch auch in Lissabon und Madrid waren sie dem Hofstaat ein Dorn im Auge. Die Könige schenkten Verleumdung und Einflüsterungen zunehmend Gehör und ordneten mehrere Untersuchungen an - deren Ergebnisse stets die Ankläger Lügen straften. Schließlich öffnete Portugals Erster Minister, Sebastiao Marques de Pombal (1699-1782), 1759 die Büchse der Pandora. Weitere Länder nahmen den Ball dankbar auf.

Unmut in der Heimat

Binnen weniger Jahre wurden die Jesuiten aus den Weltreichen Portugal, Frankreich und Spanien ausgewiesen. 1767 wurde der Orden aus allen spanischen Kolonien vertrieben, auch aus den Reduktionen in Paraguay und Lateinamerika. Und am 21. Juli 1773 schließlich, vor 250 Jahren, verbot Papst Clemens XIV. - auf Druck der Kolonialmächte Frankreich, Spanien und Portugal - den Orden vollständig und verfügte seine Auflösung.

Viele Regierungen protestierten; sie fürchteten vor allem um die effektive Rolle, die die Jesuiten in der schulischen und universitären Bildung spielten. Doch am Ende weigerte sich nur die Zarin Katharina II. dauerhaft, das Verbot umzusetzen. Russland wurde das Rückzugsgebiet und Sankt Petersburg Sitz des Ordensgenerals.

Novalis

"Jetzt schläft er, dieser furchtbare Orden, in armseliger Gestalt an den Grenzen von Europa"

Der Dichter Novalis schrieb 1799: "Jetzt schläft er, dieser furchtbare Orden, in armseliger Gestalt an den Grenzen von Europa, vielleicht daß er von daher sich, wie das Volk, das ihn beschützt, mit neuer Gewalt einst über seine alte Heimat, vielleicht unter anderm Namen, verbreitet." Und Novalis sollte Recht behalten.

Papst Pius VII. (1800-1823) und die von den Folgen der Französischen Revolution gebeutelten Fürstenhäuser erkannten den Fehler, den ihre Vorgänger mit der Unterdrückung dieses damals stabilisierenden Faktors gegen den Liberalismus gemacht hatten. Im August 1814 nutzte Pius VII. die Gunst der Stunde des Wiener Kongresses und hob das Verbot offiziell auf. In der Schweiz wurde eine deutschsprachige Provinz neugegründet.

Steiniger Neuanfang

Die Neuanfänge waren keineswegs leicht, war doch die regionale Verteilung der "neuen Jesuiten" sehr ungleichmäßig und ihre Herkunft heterogen. Es gab noch Veteranen von vor 1773; ferner in Russland und später in Sizilien oder Parma neu Eingetretene sowie Weltpriester, die sich neu dem Orden anschlossen. Der Schwerpunkt der Wiederaufbaujahre, so der Ordenshistoriker Klaus Schatz, lag eindeutig auf Italien und dem französischen Sprachraum. Von rund 600 Mitgliedern zu Anfang wuchs der Orden auf über 2.000 im Jahr 1830 und bis zu einem Höchststand in dieser Epoche auf 4.757 im Jahr 1847, dem Vorabend neuer Revolutionen in Europa.

Die Wiederzulassung bedeutete natürlich keinen dauerhaften Freibrief: Schon 1820 wurden die Jesuiten unter Zar Alexander I. aus Russland ausgewiesen - aus dem Land, das dem Orden über 40 Jahre das Überleben ermöglicht hatte. Erst 1992, nach Ende des Kommunismus, kehrten dorthin Jesuiten zurück. 1848/74 erhielt der Orden ein Tätigkeitsverbot in der Schweiz, das nominell bis 1973 bestand. Und auch in Deutschland erging 1872 im Zuge des Preußischen Kulturkampfes ein Verbot (bis 1917).

Die Zeiten blieben kompliziert

Immer wieder hatten die Jesuiten dramatische Phasen zu überstehen. In einigen bekam sogar die vielbeschworene Einheit der "Gesellschaft Jesu", die doch aus so vielen hoch begabten Individualisten besteht, Risse. Differenzen innerhalb des Ordens gab es etwa bei den Auseinandersetzungen um "Modernismus" und "Integralismus" zu Beginn des 20. Jahrhunderts oder in den Jahren der Neuorientierung nach dem Zweiten Vatikanum (1962-1965). Damals geriet der Orden auch in die Auseinandersetzung um die vor allem lateinamerikanische Theologie der Befreiung und durchlebte eine seiner schwersten Krisen.

Heute ist er wieder so international aufgestellt wie zu Zeiten der China- und Japan-Mission oder der Jesuiten-Reduktionen in Paraguay. Rund 15.000 Mitglieder hat die "Gesellschaft Jesu". Und mit Franziskus stellt sie erstmals in ihrer fast 500-jährigen Geschichte seit 2013 das Oberhaupt der katholischen Weltkirche, den Papst.

Jesuitenorden

Die Jesuiten sind die größte männliche Ordensgemeinschaft der katholischen Kirche. Gründer der "Gesellschaft Jesu", so die offizielle Bezeichnung in Anlehnung an den lateinischen Namen "Societas Jesu" (SJ), ist der Spanier Ignatius von Loyola (1491-1556).

Jesuiten sind keine Mönche; sie führen kein Klosterleben und tragen keine Ordenskleidung. Neben Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam verpflichten sie sich in einem vierten Gelübde zu besonderem Gehorsam gegenüber dem Papst. Zudem legen sie ein Zusatzversprechen ab, nicht nach kirchlichen Ämtern zu streben.

Iesum Habemus Socium ("Wir haben Jesus als Gefährten") - das Emblem der Jesuiten / © Markian Pankiv (shutterstock)
Iesum Habemus Socium ("Wir haben Jesus als Gefährten") - das Emblem der Jesuiten / © Markian Pankiv ( shutterstock )
Quelle:
KNA