Wenige Jahre zuvor waren sie noch teils grausam verfolgt worden. 313 dann gewährte Kaiser Konstantin den Christen Religionsfreiheit. Und die witterten Morgenluft. Gut 200 Jahre lang hatten sie mehr oder weniger im Untergrund gelebt, wurden verfolgt, veräppelt - und doch zunehmend bewundert. Aus der jüdischen Sekte, die mit ein paar Dutzend Jüngern des galiläischen Wanderpredigers Jesus von Nazareth begonnen hatte, war eine etwa drei Millionen Männer, Frauen und Kinder umfassende Glaubensgemeinschaft geworden. Deren Einsatz für Arme und Schwache sowie ihr heldenhafter Mut angesichts ihrer Henker beeindruckten viele.
Gestärkt durch den Widerstand im Untergrund, beflügelt durch ihren Glauben und den Zulauf vieler Menschen entwickelten vor allem ihre Anführer, die Bischöfe, großes Selbstbewusstsein. Dabei wurde zum einen deutlich, welch unterschiedliche theologische Ideen es unter ihnen gab. Zum anderen kam dem Kaiser eine derart selbstbewusste Religion gerade recht, um das vom Zerfall bedrohte Römische Reich zu einen. Auch war Konstantin zunehmend persönlich vom christlichen Glauben überzeugt.
Streitfragen im Blick
Bevor also die neue Religion sich aus theologischen Gründen wieder selbst zerlegte, berief der Kaiser ihre Führer in seine Sommerresidenz Nizäa südöstlich des heutigen Istanbul. Er sorgte für Kost und Logis, erstattete gar die Reisekosten. So sollten Bischöfe und Theologen ihre Streitfragen beilegen, und wollte Konstantin diese enger an sich binden. Die wichtigsten Streitfragen lauteten: Wie genau ist es zu verstehen, wenn Jesus von sich sagte, er sei Gottes Sohn? Und: Wann feiern wir Ostern, unser wichtigstes Fest? Da hatten sich inzwischen unterschiedliche Termine entwickelt.

Da Jesus vor einem jüdischen Pessachfest gekreuzigt worden war, sollte der Ostertermin wie Pessach berechnet werden. Demnach war Ostern nach dem Frühlingsanfang zu feiern, und zwar an einem Sonntag nach dem jüdischen Pessach-Fest. Die genaueren Berechnungen anhand des Vollmonds sollte der Bischof von Alexandrien liefern - die dortige Astronomie galt als die beste - und sie dem Papst in Rom zur Verkündigung an die anderen Kirchen weiterleiten.
Schwieriger war das Verhältnis von Jesus Christus zu Gott, dem Vater. Inwieweit ist er dessen Sohn? Wurde er später geschaffen, von Gott adoptiert, oder existierte er schon vor Beginn der Welt? Ist er so göttlich wie der Vater oder weniger? Am Ende einigten sich die gut 300 Bischöfe auf eine Formel, die bis heute in allen Kirchen gebetet wird.
"Wahrer Gott aus wahrem Gott"
Darin heißt es: "Wir glauben an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen (...) Und an den einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, der als Einziggeborener aus dem Vater gezeugt ist, das heißt: aus dem Wesen des Vaters, (...) wahrer Gott aus wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, wesensgleich mit dem Vater (...)." Besonders umstritten: die Aussage "wesensgleich mit dem Vater (griech. homooúsion to patrí)".

Deren Anliegen erklärt der Theologe und Religionswissenschaftler Felix Körner so: Jesus behauptete, mit ihm sei das Reich Gottes angebrochen. Die frühe Kirche bestätigte, dass durch Jesus der entscheidende Durchbruch geschah. Das Konzil von Nizäa habe sicherstellen wollen: "Christusgemeinschaft ist Gottgemeinschaft. Daher kommt die Betonung, Christus ist dem Vater wesensgleich." Man habe den Eindruck vermeiden wollen, so Körner, "dass man mit Christus nur ein bisschen bei Gott" sei. "In der Gemeinschaft mit Christus fehlt nichts mehr an Gemeinschaft mit Gott."
Damit war der theologisch radikale Bruch zum Judentum markiert - aber auch zum Islam, der erst 300 Jahre nach Nizäa entstehen sollte. Muslime verehren Jesus als Propheten, für Juden mag er ein kreativer, extremer Rabbi gewesen sein. Aber Gott? Niemals! Das wäre Gotteslästerung, und deswegen war Jesus doch hingerichtet worden.
"Zustand der beschlossenen Einheit"
Zwar gingen die Streitigkeiten um die genaue Art der Göttlichkeit von Jesus Christus noch etliche Jahrzehnte weiter. Letztendlich aber setzte sich die Aussage von der Wesensgleichheit durch und fand ab dem Ende des 4. Jahrhunderts Einzug in das offizielle Glaubensbekenntnis. Auch der Kaiser war zufrieden mit dem Treffen in Nizäa: "Mein Ziel war es, die unterschiedlichen Urteile unter allen Nationen, die die Gottheit verehren, zu einem Zustand der beschlossenen Einheit zu bringen, und zweitens, den gesunden Ton im Weltsystem wieder herzustellen", schrieb er in einem Brief.
Ähnlich formulieren es Kirchenvertreter heute. Das 1.700-Jahr-Jubiläum müsse ein neuer Impuls sein, die Einheit der Christen und ihren Einsatz angesichts der großen Probleme der Gegenwart zu stärken, so etwa die orthodoxen Bischöfe in Deutschland. Zudem sei angesichts auch moderner Versuche, Jesus zu einem bloßen "Propheten, Weisheitslehrer oder gar Yogi" zu machen, "die Frage nach dem 'Wesen' Jesu Christi essenziell".
Gott und den Nächsten lieben
Zwar kennen auch andere Religionen die Pflicht, sich um andere Menschen zu kümmern; Judentum und Islam haben eigene Wohlfahrtswesen entwickelt. Der christliche Glaube aber, dass Gott in Jesus vollständig und dem Wesen nach Mensch wurde, sowie Jesu Gebot, den Nächsten ebenso zu lieben wie Gott, wurde für Christen ein zusätzlicher Impuls, sich karitativ und sozial zu engagieren.
Der Priester Ivan Illich (1926-2002) etwa war überzeugt, dass Gottes Menschwerdung "ein überraschendes und gänzlich neues Erblühen von Liebe und Erkenntnis möglich macht. Christen können nun den biblischen Gott im Fleisch lieben" - also im konkreten Menschen ihnen gegenüber. Laut einer Studie von 2014 an der Universität Münster haben christliche Religionsgemeinschaften die Entstehung europäischer Wohlfahrtsstaaten weit mehr beeinflusst als bis dahin bekannt.