Vor 1.100 Jahren - Diplomatie mitten auf dem Rhein

Mittelalter-Vertrag machte Bonn deutsch

Es war ein protokollarischer Kniff: Damit niemand das Territorium des Anderen betreten musste, wurden beide Könige zur Unterzeichnung in die Mitte des Rheins gebracht. Ihr Vertrag hielt dennoch nicht allzu lang.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Rheinpanorama / © slawjanek_fotografia (shutterstock)

Den Bewohnern von Bonn und Schwarzrheindorf bot sich ein wahrhaft historisches Schauspiel an jenem 7. November 921, vor 1.100 Jahren – und sie werden schön lange Hälse gemacht haben. Hier trafen sich, mitten auf dem Rhein, zwei Könige, um ihren Frieden miteinander zu machen: Karl III. (879-929), von der Nachwelt "der Einfältige" genannt, Urenkel Karls des Großen und König des Westfrankenreiches, Vorläufer des heutigen Frankreich. Und König Heinrich I. (um 876-936), später "der Vogler" genannt; er herrschte seit 919 über das Ostfrankenreich, den Vorläufer des deutschen Reiches.

Begegnung fast unter Gleichen

Es war eine Begegnung unter Gleichen – aber eben doch nicht ganz.

Karl war ein direkter Nachfahr des einstigen Reichsgründers: ein "Karolinger". Im Osten dagegen war das Geschlecht 911 ausgestorben – und der Sachse Heinrich war der Wahlkönig der deutschen Stämme. In Karls Augen ein nichtfränkischer Emporkömmling – doch machtpolitisch hatte Heinrich die deutlich besseren Karten auf der Hand. Der mittlere Reichsteil Lothringen hatte sich eben wieder auf seine Seite geschlagen, und Heinrich unterstützte die Versuche Lothringens, sich ganz vom westfränkischen Herrscher loszumachen.

Neutrales drittes Boot

Ein Ausgleich zwischen den beiden Misstrauischen musste her – ohne Gesichtsverlust für die eine oder andere Seite. Und so traf man sich am Rhein, damals der Grenzfluss zwischen beiden Reichen. Karl logierte für vier Tage mit großem Gefolge auf der Höhe des einstigen Römerlagers, Heinrich in einem Königshof auf der Höhe Schwarzrheindorfs, etwa dort, wo 200 Jahre später die architektonisch berühmte romanische Doppelkirche entstehen sollte.

Protokollarisch verfiel man auf einen Kniff: Damit niemand das Territorium des Anderen betreten musste, bestiegen am Ende beide Herrscher ihre Schiffe und wurden in die Mitte des Flusses gebracht, wo bereits ein neutrales drittes Boot zur Unterzeichnung vertäut war.

Handschlag und Bruderkuss

Das Freundschaftsbündnis ("unanimitatis pactum et societatis amicitia"), das als "Vertrag von Bonn" in die Geschichte einging, hatte eine gegenseitige Anerkennung der jeweiligen Königsherrschaft und des territorialen Status quo zum Inhalt. Der Rhein wurde mit Handschlag und Bruderkuss als Grenze festgeschrieben. So etwas hatte man hier noch nicht gesehen, weder links noch rechts des Rheins.

Politisch war dem "Vertrag von Bonn" nur ein äußerst kurzes Leben beschieden. Das Blatt wendete sich schon bald zu Heinrichs Gunsten.

Ab 922 hatte Karl III. mit dem Gegenkönig Robert von Franzien einen mächtigen Gegenspieler – und Heinrich eine Gelegenheit, Lothringen zu sich herüberzuziehen. Anfang 923 bot Heinrich auch dem Gegenkönig Robert die Freundschaft an – ein flagranter Verstoß gegen das Freundschaftsbündnis mit Karl.

Bonn hatte als Grenzstadt ausgedient

Im Kampf um die Herrschaft in Westfranken im Juni 923 fiel Gegenkönig Robert; doch König Karl wurde gefangen genommen und blieb bis zu seinem Tod in Kerkerhaft. Das Machtvakuum nutzte Heinrich, um den Rhein zu überschreiten und die linken Rheinlande in Besitz zu nehmen.

Historisch vereinfacht und anachronistisch gesagt: Bonn wurde deutsch... – und hörte auf, Grenzstadt zu sein. Nach mehreren Feldzügen unterstellte sich Ende 925 der Adel Lothringens und erkannte Heinrichs Herrschaft an. Lothringen wurde – rückschauend – das fünfte Herzogtum des Ostfrankenreiches.


Blick auf das heutige Schwarzrheindorf, im Hintergrund die Doppelkirche / © uh Fotografie Bonn (shutterstock)
Blick auf das heutige Schwarzrheindorf, im Hintergrund die Doppelkirche / © uh Fotografie Bonn ( shutterstock )
Quelle:
KNA
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