Rund 20.000 Menschen, so heißt es, hatten sich am 30. November 1924 vor dem Hauptportal des Kölner Doms versammelt. Filmaufnahmen aus der Zeit zeigen, wie Polizisten die Menschenmassen in Schach zu halten versuchen, während eine große geschmückte Glocke durch die Kölner Innenstadt gefahren wird.
Schließlich ereignete sich hier ein Akt, der auch für die Domstädter einmalig war: Erzbischof Joseph Schulte weihte die neue und größte Glocke des Kölner Doms, der im Volksmund liebevoll "Decke Pitter", also "Dicker Peter", genannt wird. Erstmals wurden gar Lautsprecher eingesetzt, damit die Menschenmenge die Worte des Erzbischofs verstehen konnte.
Ihr Kosename kommt nicht von ungefähr - für die Petersglocke wurden schließlich 24 Tonnen Bronze geschmolzen. Ein echtes Schwergewicht also, das nur an hohen Feiertagen oder zu besonderen Anlässen erklingt - etwa beim Tod von Papst oder Erzbischof.
Bevor ihr tiefer Klang jedoch über die Domstadt schallen konnte, hatte die auf den Namen des Dompatrons, des heiligen Petrus, geweihte Glocke einen weiten Weg vor sich. Gegossen am 5. Mai 1923 im thüringischen Apolda, kam sie im Folgejahr auf Schienen nach Köln - auf einem eigens für sie gebauten Waggon.
13 Tage lang in den Glockenstuhl hochgezogen
Nach ihrer Weihe wurde sie von Hand in den Glockenstuhl hochgezogen. 13 Tage dauerte die Aktion, und Etage um Etage kam der Pitter höher über die Stadt. Zuvor musste zunächst der Mittelpfeiler des Hauptportals mit der Marienstatue ausgebaut werden. Der "Decke Pitter" mit einem Durchmesser von 3,22 Metern wäre anders nicht in die Kathedrale hineingekommen.
Rechtzeitig vor dem Weihnachtsfest hatte die Glocke dann ihre endgültige Heimstätte im Südturm in 53 Metern Höhe erreicht. Doch ihr Geläut ließ noch auf sich warten. An Heiligabend riss nach wenigen Schlägen das Seil der elektrischen Läutemaschine. Erst zehn Monate später gelang ein erstes Geläut mit allen Domglocken.
Mit ihrem tiefen C ist sie heute die tontiefste freischwingende Glocke der Welt. Solch gewaltiger Klang bleibt nicht ohne Nebenwirkungen. Die Petersglocke, mit vielen Inschriften verziert, hängt mit sieben der kleineren Geschwistern in einer Art Eisengerüst. Das schützt die Kathedrale vor den Vibrationen, die im Glockenturm trotzdem deutlich zu spüren sind.
Ein Riss musste repariert werden
Während das recht kurze Leben der Vorgängerin des rheinischen Schwergewichts, der Kaiserglocke, vor allem von Pannen geprägt war, hält sich die Pechsträhne der Petersglocke bislang in Grenzen. Doch ganz ohne Schwierigkeiten kommt auch sie nicht aus. In den 1950er Jahren kam es zu einem Riss, der aber erfolgreich geschweißt werden konnte.
Am Dreikönigstag 2011 dann brach der Klöppel und fiel auf die Wartungsebene des Glockenstuhls. Das war immerhin ein weniger dramatischer Absturz, als ihn der Tongeber der Kaiserglocke hinlegte: Der nämlich raste bis zum Erdgeschoss durch. Verletzt wurde niemand.
Fast das gesamte Jahr 2011 war die Petersglocke zum Schweigen verdonnert, bis sie einen neuen - und mit knapp 600 Kilogramm einen um 200 Kilogramm leichteren - Klöppel bekam. Sechs Jahre später kam sie erneut zum Erliegen. Der Klöppel saß nicht richtig, brauchte eine neue Aufhängung. Die Arbeiten dauerten über eineinhalb Jahre - eine Zeit, die zeigt, wie komplex Reparaturen an einer Glocke dieser Größe sind.
Heute per Knopfdruck
Doch manches ist in den vergangenen 100 Jahren auch leichter geworden. Die Kaiserglocke - drei Tonnen schwerer als ihr Nachfolger- brachten 28 Mann in Schwingung. Eine halbe Stunde vor dem Läuten mussten sie sich mit aller Kraft an die Seile hängen. Heute betätigt der Küster einen Knopf im Erdgeschoss - und nur wenige Sekunden dauert es dann, bis sich der "Decke Pitter" in Bewegung setzt und gemächlich einschwingt.
Fünf Minuten lang hallt sein Schall beim feierlichen Geläut allein über die Domplatte. Erst dann fallen seine Geschwister in den Akkord mit ein. Hören kann man das in den kommenden Wochen mehr als nur einmal: Zu Mariä Empfängnis am 8. Dezember, dem Patronatsfest des Erzbistums, und natürlich in der Heiligen Nacht.