Vor 10 Jahren: Staaten einigen sich auf Verzicht von Streubomben

Meilenstein in der Völkerrechts-Geschichte

Zehn Jahre ist es her, dass sich rund 100 Staaten auf ein Abkommen zum Verbot von Streumunition einigten. Doch immer noch werden die brutalen Waffen eingesetzt. Zuletzt ist die Zahl der Opfer sogar deutlich gestiegen.

Überreste von Geschossen und einer Mine / © Christine-Felice Röhrs (dpa)
Überreste von Geschossen und einer Mine / © Christine-Felice Röhrs ( dpa )

Die Rede war von einem "Meilenstein in der Geschichte des Völkerrechts": Am 30. Mai 2008, am Mittwoch vor zehn Jahren, endete in Dublin die entscheidende Konferenz des sogenannten Oslo-Prozesses für ein Verbot von Streubomben. Nach 15 Monaten Verhandlungen einigten sich die beteiligten Staaten, darunter Deutschland, auf einen Vertrag. Im Dezember 2008 unterzeichneten dann in Oslo 96 Staaten den Vertrag, unter anderen der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier. 2010 trat das Abkommen in Kraft.

Herstellung, Lagerung, Einsatz und Handel mit Streubomben sind seitdem für die Vertragsstaaten verboten. Verpflichtet haben sich die Unterzeichner zudem, betroffene Regionen bei der Räumung und der Versorgung von Opfern zu unterstützen. Wie beim Landminenverbot hatte eine internationale Kampagne Druck gemacht, die unter anderem von Handicap International gegründet wurde: die Cluster Munition Coalition (CMC).

Kinder sind die häufigsten Opfer

Seit dem Zweiten Weltkrieg wurden Streubomben in praktisch allen großen Kriegen eingesetzt. Die Bomben werden aus der Luft abgeworfen und zerlegen sich dann noch vor dem Aufprall selbst, so dass sie in vielen kleinen Sprengsätzen auf dem Boden ankommen. Damit werden praktisch ganze Landstriche für viele Jahre vermint. Kinder sind die häufigsten Opfer: Sie halten die faustgroßen Blindgänger oft für Spielzeug. Allein in Laos wurden laut Handicap International während des Vietnam-Kriegs mehr als 270 Millionen solcher Mini-Bomben abgeworfen.

Die massive Verwendung von Streumunition und die zahlreichen zivilen Opfer seit den 1990er Jahren im Kosovo, in Afghanistan und im Irak lösten dann die internationale Verbotskampagne aus. Der erneute Einsatz im Libanonkrieg 2006 bewegte auch einige Staaten zum Handeln. Führend war Norwegen, das 2007 zur ersten Konferenz einlud.

Handicap International: Bahnbrechendes Abrüstungsabkommen

Handicap International bewertete den Vertrag am Dienstag in München als "ein Erfolgsmodell" und als ein "bahnbrechendes Abrüstungsabkommen". Es habe dazu beigetragen, dass "die überwiegende Mehrheit der Staaten Streubomben heute als Tabu sieht".

103 Staaten haben den Vertrag bis heute ratifiziert, 17 weitere haben zunächst unterzeichnet. 28 Vertragsstaaten vernichteten ihre Bestände an Streumunition. "Es war ein ganz besonderer Moment für mich, als ich im November 2015 der feierlichen Vernichtung der letzten deutschen Streubombe beiwohnen durfte", erinnert sich Eva Maria Fischer, Leiterin der politischen Arbeit von Handicap International Deutschland. "Die Bundeswehr hatte eines der weltgrößten Arsenale dieser Waffen besessen."

Trotz aller Erfolge: Die grausamen Waffen sind noch lange nicht verschwunden. Die großen Staaten USA, Russland und China, aber auch Israel, Indien, Pakistan und Brasilien haben das Abkommen nicht unterzeichnet. Insbesondere in Syrien, im Jemen und in der Ukraine werden die Waffen weiter eingesetzt.

Zahl der Todesopfer durch Streubomben deutlich gestiegen

Zuletzt ist die Zahl der Todesopfer durch Streubomben sogar deutlich gestiegen: Zwischen August 2016 und Juli 2017 gab es 971 neue Opfer - ungefähr doppelt so viele wie ein Jahr zuvor. Aus Syrien stammten demnach die meisten von ihnen (860), weitere aus Laos (51) und dem Jemen (38). Die Opfer in Syrien und dem Jemen gingen auf Kriegseinsätze zurück, die in Laos auf Unfälle mit alten Blindgängern.

Kritisiert hat Handicap International im vergangenen Jahr auch, dass Deutschland eine wichtige Forderung bisher nicht erfüllt habe: "Immer noch betrachtet es die deutsche Regierung im Gegensatz zur Position vieler anderer Vertragsstaaten als legal, dass deutsche Geldinstitute in die Produktion von Streumunition in anderen Ländern investieren." Dem im Mai 2017 veröffentlichten Bericht zufolge haben etwa Tochterfirmen der Allianz den Produzenten von Streumunition seit 2013 mindestens 72 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt.

"Wir werden nicht aufhören, diese Einsätze anzuprangern und für die Universalisierung des Vertrags zu kämpfen", erklärte Handicap International am Dienstag. "Denn sowohl die bisherigen Erfolge des Streubombenverbots als auch die erneuten Einsätze von Staaten außerhalb des Abkommens machen deutlich, wie wichtig es ist, dass alle Staaten dem Oslo-Vertrag beitreten."


Skulptur "Broken Chair" als Symbol für Minenopfer weltweit, errichtet durch Handicap International / © Magali Girardin (dpa)
Skulptur "Broken Chair" als Symbol für Minenopfer weltweit, errichtet durch Handicap International / © Magali Girardin ( dpa )
Quelle:
KNA