Evangelisches Studienwerk warnt vor Desiderius-Erasmus-Stiftung

"Von der Stiftung geht eine riesige Gefahr aus"

Die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung hat für ihre politische Bildungsarbeit Gelder beantragt. Unter demokratischen Gesichtspunkten ist das legitim. Aber sind es auch die Inhalte, die diese Stiftung verbreitet?

Inhalte der AfD verpackt in politischer Bildungsarbeit? (shutterstock)
Inhalte der AfD verpackt in politischer Bildungsarbeit? / ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Nach einem erneuten Einzug in den Bundestag könnte die AfD von der Bundesregierung finanzielle Mittel für politische Bildungsarbeit bekommen und somit auch für eine Begabtenförderung. Wieviel Förderung bekommen Parteien denn üblicherweise für ihre Stiftungen?

Friederike Faß (Leiterin des Evangelischen Studienwerks Villigst): Das hängt ganz von der Größe der Stiftung ab. Nach dem, was ich an Zahlen gefunden habe, gehört die Friedrich-Ebert-Stiftung mit 171 Millionen im Jahr 2017 zu den größeren Stiftungen. Nach meinem Kenntnisstand hat die Desiderus-Erasmus-Stiftung für das vergangene Jahr 900.000 Euro beantragt, die sie aber noch nicht bekommen haben.

DOMRADIO.DE: Die AfD ist nun mal die größte Oppositionspartei im Bundestag. Das ist ein Ergebnis unserer Demokratie. Also warum nicht auch eine AfD-nahe Stiftung?

Faß: Das ist das Gute und das Negative einer Demokratie. Sie macht nämlich möglich, dass es eine Vielstimmigkeit gibt. Und genau das ist erwünscht und gleichzeitig eine Gefahr. Denn die Vielstimmigkeit setzt voraus, dass wir uns alle auf der Grundlage unseres Grundgesetzes bewegen und dass wir alle sagen: Die Menschenwürde ist unantastbar. Wenn das bei allen Parteien gegeben wäre, hätten wir damit kein Problem. Und das sehen wir in Gefahr bei der AfD-nahen Stiftung. Das hat viel zu tun mit Äußerungen der AfD-Politikerinnen, die der Stiftung nahe stehen.

DOMRADIO.DE: Das Themenspektrum der Stiftung ist relativ abgegrenzt. Zum Thema grenzenloses Europa hat zum Beispiel im Januar der damalige österreichische Innenminister einen kritischen Vortrag gehalten. Bereitet Ihnen die Themenwahl der Stiftung auch schon Sorge oder würden Sie sagen, man kann ja über alles diskutieren?

Faß: Ja und nein. Natürlich kann man über alles diskutieren, aber die Richtung ist da manchmal die Frage. Ich nehme die Stiftung als den sanfteren Bereich im Vergleich zum Institut für Staatspolitik wahr. Die Stiftung geht die Themen, so wie sie sich zeigt, ein wenig braver an im Sinne von: "Das ist doch mal interessant, dass man mal einen anderen Blick auf Politik und Geschichte wirft." Und genau das ist die Gefahr. Die Stiftung ist in meinen Augen dabei, gerade in geschichtliche Themen stark zu relativieren, immer wieder die Vergangenheit zu verklären. Das ist eine riesige Gefahr, die von der Stiftung ausgeht.

DOMRADIO.DE: Ihr evangelisches Werk wurde nach dem Krieg gegründet, unter anderem als Konsequenz aus dem Versagen und der Mitschuld der evangelischen Bildungselite während des Nationalsozialismus. Sehen Sie die Corona-Krise jetzt wieder als neue Gefahrenquelle für zunehmend rechte Tendenzen in Deutschland?

Faß: Ich glaube, dass jede Krise das Potenzial hat, die Ränder zu stärken. Denn es ist gerade wieder leicht zu sagen, dass die da oben alles falsch machen. Das kann immer dazu führen, dass eben auch wiederum dieser rechte Rand gestärkt wird. Generell sehe ich aber in unserer Gesellschaft gerade, dass es die Tendenz zu diesen Extremen gibt - mit oder ohne Krise.

DOMRADIO.DE: Die AfD wird möglicherweise wieder in den Bundestag gewählt. Dementsprechend dürfte sie dann auch Stiftungsgelder beantragen. Oder sehen Sie noch eine Möglichkeit, das zu verhindern?

Faß: Solange das eine demokratisch gewählte Partei ist, glaube ich, dass das kaum zu verhindern ist. Ich glaube, dass man deswegen umso genauer hinschauen muss, ob sie sich auch auf dem verfassungsgemäßen Boden bewegt, in allen Teilen. Es zeigt sich immer mehr, dass deutliche Teile der AfD das nicht tun. Deshalb würde ich auch einladen hinzugucken, wer in der Stiftung aktiv ist und auch zu schauen, ob es darum geht, dass öffentliche Gelder so etwas mit fördern.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR