Volkswirt bietet Alternative zur Staatsleistungs-Ablösung

Kirchen in Staatseigentum übertragen?

Die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen stehen seit Jahrzehnten im Grundgesetz, trotzdem tun sich beide Seiten schwer damit. Der Journalist und Volkswirt Ernst Dohlus bietet eine alternative Lösung für das Dauerproblem.

Kirche und Finanzen / © Kirche und Finanzen (KNA)
Kirche und Finanzen / © Kirche und Finanzen ( KNA )

DOMRADIO.DE: Unabhängig von der Kirchensteuer und zusätzlich zu ihr bekommen katholische und evangelische Kirche jedes Jahr von den Bundesländern eine halbe Milliarde Euro überwiesen. Geld für das sie nichts leisten müssen, sie müssen dafür nicht einmal Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser unterhalten. Als Grundlage dieser Zahlungen dienen ausschließlich historische Forderungen, bei der evangelischen Kirche aus der Reformationszeit, bei der katholischen Kirche aus der Zeit der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts. Doch diese Zahlungen sind gefährdet, warum?

Ernst Dohlus (Journalist und Diplom-Volkswirt): Sie sind anachronistisch, haben mit der heutigen Lebenswirklichkeit nichts mehr zu tun, ihre Begründung und vor allem ihre Höhe sind nicht nachvollziehbar. Der Bischof von Trier bekommt für jeden saarländischen Katholiken 93 Cent im Jahr, für jeden rheinland-pfälzischen aber 22,90 Euro. Das Erzbistum Köln bekommt etwa zwei Euro für jeden Katholiken, das Bistum Magdeburg 108 Euro. Das alles lässt sich nicht wirklich herleiten aus geschichtlichen Tatsachen. Und in der Politik regt sich Widerstand: FDP, Grüne und Linke wollen die Staatsleistungen abschaffen.

DOMRADIO.DE: Sind die Staatsleistungen nicht vom Grundgesetz garantiert?

Dohlus: Nein, das ist eine falsche Darstellung. Das Grundgesetz sagt, dass sie abgelöst werden sollen gemäß den Vorschriften der Weimarer Verfassung von 1919 über die Trennung von Kirche und Staat. Nur bis dahin sollen sie weiter gezahlt werden. Seit 100 Jahren aber ist der Verfassungsauftrag der Ablösung nicht umgesetzt worden.

Ernst Dohlus

"[Staatsleistungen] sind anachronistisch, Sie haben mit der heutigen Lebenswirklichkeit nichts mehr zu tun"

DOMRADIO.DE: Was bedeutet Ablösung?

Dohlus: Die beiden Kirchen und die ihnen positiv gegenüberstehenden Parteien haben das immer so interpretiert, dass die Bundesländer, die diese Staatsleistungen zahlen, statt jährlich immer wieder 500 Millionen zu zahlen, einen einmaligen zweistelligen Milliarden-Betrag auf einmal überweisen sollen. Der muss nach finanzmathematischen Formeln umso höher sein, je niedriger die Zinsen sind. Aber so viel Geld können die Länder nicht zahlen angesichts der angespannten öffentlichen Haushalte, die Kirchen wüssten nicht, wie sie bei null Zinsen so viel Geld sinnvoll anlegen sollen und die Bürger würden nicht verstehen, warum das notwendig ist. Das alles nur, weil Kirchen und Politiker die Ablösung so einseitig interpretieren. Schon 1924 hatte ein nicht zustande gekommener Gesetzentwurf das Wort Ablösung viel weiter interpretiert. Aber jetzt ist sogar der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz so weit, dass er den Staatsleistungen ein Ende machen will.

DOMRADIO.DE: Jetzt haben Sie einen Vorschlag erarbeitet, den Sie den beiden Kirchen ans Herz legen. Warum das gerade jetzt und was ist ihr Vorschlag?

Dohlus: Hintergrund ist die Tatsache, dass die Bedeutung der Kirchen und damit die Rücksichtnahme auf sie dramatisch schwinden. In diesem Jahr liegt der Anteil der Mitglieder der beiden großen Kirchen an der Gesamtbevölkerung erstmals bei unter 50 Prozent. Und in vielen Landtagen haben die Union und die SPD sogar gemeinsam keine Mehrheit mehr. Wenn die Kirchen die Einnahmen aus den Staatsleistungen also retten wollen, müssen sie selbst einen vernünftigen Vorschlag machen und nicht auf den Staat warten. Der hat wichtigeres zu tun.

Mein Vorschlag ist, dass die Kirche nicht Geld fordert und erhält aufgrund überholter, schlecht begründbarer Uralt-Ansprüche, sondern aufgrund der Tatsache, dass sie staatliche Aufgaben übernommen hat und Dinge finanziert, die eigentlich der Staat selbst finanzieren sollte. Staatliche Aufgaben erfüllen die Kirchen auf den Feldern Soziales, Bildung und Kultur. Krankenhäuser, Pflegeheime, Beratungsstellen werden schon zu 95 Prozent von Nutzern, Krankenkassen und vom Staat finanziert, kirchliche Schulen zu 80 Prozent. In Sachen Kultur – und dazu gehört auch der Denkmalschutz, der Erhalt von Stadtbild- oder landschaftsprägenden Bauten - bezahlen die Kirchen sehr, sehr viel Geld, obwohl das eigentlich Staatsaufgabe ist. Dabei stehen immer mehr Klöster leer und die Kirchen werden nur noch von zehn Prozent der Kirchensteuerzahler regelmäßig genutzt.

Geld: Scheine und Münzen / © Julia Steinbrecht (KNA)
Geld: Scheine und Münzen / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie soll das aussehen, soll etwa der Staat die Kirchen erhalten?

Dohlus: Ja, genau das wäre der Deal. Das Land Nordrhein-Westfalen zum Beispiel zahlt dann nicht mehr jährlich 24 Millionen Euro Staatsleistungen an die beiden christlichen Kirchen, sondern übernimmt die Erhaltungs- und Renovierungskosten für denkmalgeschützte Kirchen in dieser Höhe. Oder er übernimmt das Eigentum an solchen Kirchen. Das wäre im Übrigen auch gar nichts Neues. Dem Land NRW gehören jetzt schon 16 Kirchen von der Namen-Jesu-Kirche in Bonn bis zur St. Ulrich-Kirche in Paderborn und für 65 andere Kirchen übernimmt das Land die Baulast, also alle Bau- und Erhaltungskosten, von St. Clemens in Bergisch Gladbach bis St. Andreas in Düsseldorf. Mit der Übernahme der Baulasten oder des Eigentums wären die Kirchenhaushalte entlastet und die Kirchen dauerhaft gesichert auch über 2060 hinaus. Bis dahin wird sich die Zahl der Kirchenmitglieder nochmal halbieren, und viele auch denkmalgeschützte Kirchen für die Kirchen überflüssig, weil es weder genug Priester noch genügend Gläubige dafür gibt.

DOMRADIO.DE: Ist das nicht zu pessimistisch gedacht?

Dohlus: Ich denke, die Kirchen sollten jetzt mit einem solchen Vorschlag auf die Bundesländer zugehen, um möglichst schnell, solange sie noch mit dem “good will“ der Politik rechnen können, das Thema Ablösung der Staatsaufgaben vom Tisch zu bekommen. Denn sonst steht zu befürchten, dass ihnen bei zunehmender Kirchenfeindlichkeit oder Kirchenapathie die Verfassungsgarantie unter den Händen wegschmilzt und sie mit beinahe nichts abgespeist werden. Heute können sie noch selbst gestalten, morgen nicht mehr.

Staatsleistungen an die Kirchen

Viele katholische Bistümer und evangelische Landeskirchen erhalten aus historischen Gründen regelmäßig Geld von Bundesländern. Die meisten dieser sogenannten Staatsleistungen gehen zurück auf das Jahr 1803: Damals wurden zahlreiche Kirchengüter auf der rechten Rheinseite enteignet und verstaatlicht. Nutznießer waren deutsche Reichsfürsten, die damit für Gebietsverluste an Frankreich auf der linken Rheinseite entschädigt wurden.

Symbolbild: Kirche und Finanzen / © Freedom Studio (shutterstock)
Symbolbild: Kirche und Finanzen / © Freedom Studio ( shutterstock )
Quelle:
DR