Rechtsruck in Schweden nach der Parlamentswahl

Volksabstimmung über die Flüchtlingspolitik?

Rechtsruck in Schweden: Die populistischen Schwedendemokraten sind bei der Wahl mit knapp 18 Prozent drittstärkste Kraft geworden. Mancher spricht deshalb auch eher von einer Volksabstimmung über die dortige Flüchtlingspolitik.

Die Schweden haben gewählt / © Hanna Franzen (dpa)
Die Schweden haben gewählt / © Hanna Franzen ( dpa )

DOMRADIO.DE: In Schweden hat es tatsächlich einen Rechtsruck gegeben – allerdings deutlich weniger deutlich als vorhergesagt. Ist das ein Grund zur Hoffnung?

Pater Dr. Philip Geister SJ (Rektor des Newman-Institutes, der einzigen katholischen Hochschule in den nordischen Ländern): Im gewissen Sinne schon. Die schlimmsten Befürchtungen sahen vor, dass die Schwedendemokraten über 20 Prozent bekommen würden. Es ist dann bei 17,6 Prozent geblieben. Aber ich würde sagen, dass das Hauptproblem neben dem Rechtsruck insgesamt der Extremruck ist. Auch die Linkspartei, die Kommunisten haben ordentlich zugelegt und die Parteien in der Mitte haben verloren. Da ist eine Extremisierung der politischen Lage in Schweden entstanden.

DOMRADIO.DE: Die Rechtspopulisten, die Schwedendemokraten, ticken die so ähnlich wie die AfD bei uns in Deutschland?

Geister: Ja, das kann man sagen. Das ist eigentlich ein vergleichbares, paralleles Parteiprogramm.

DOMRADIO.DE: Schweden ist bekannt für seine liberale Flüchtlingspolitik. Ist es vor allen Dingen die Flüchtlingsthematik, die die Rechtspopulisten für sich genutzt haben?

Geister: Ja, auf jeden Fall. Die Frage um die Flüchtlinge hat die ganze Kampagne hier bis zu dem Punkt dominiert, dass Politiker gesagt haben, es sei im Grunde eine Volksabstimmung über die schwedische Flüchtlingspolitik. Die Schwedendemokraten haben das brutal ausgenutzt – ungefähr so wie die AfD in Deutschland.

DOMRADIO.DE: Wie hat sich die Kirche im Land denn angesichts dieses Wahlergebnisses positioniert?

Geister: Man wollte sich natürlich nicht festlegen auf irgendeine Empfehlung für andere Parteien. Aber man hat die Politik, die die Schwedendemokraten machen, kraftvoll abgelehnt. Da gibt es, Gott sei Dank, auch eine ökumenische Einigkeit in dieser Beurteilung.

DOMRADIO.DE: Was bedeutet jetzt das Wahlergebnis? Die Sozialdemokraten des amtierenden Ministerpräsidenten haben ihr schlechtestes Ergebnis seit 100 Jahren eingefahren, bleiben aber stärkste Kraft. Wenn jetzt die traditionelle Blockbildung aufgebrochen wird, kann darin eine Chance liegen?

Geister: Ob das so wird, weiß man noch nicht. Das hat der Staatsminister heute Morgen als Wunsch geäußert. Es wird vermutlich die einzige Alternative sein, weil sich die Parteien alle so festgelegt haben, mit wem sie zusammenarbeiten wollen und mit wem nicht, sodass es überhaupt keine Alternative gibt. Es gibt eine gewisse Einigkeit, mit den Schwedendemokraten nicht zusammenzuarbeiten.

Vier oder fünf der anderen Parteien, wie beispielsweise die Moderaten – was ungefähr der CDU in Deutschland entsprechen würde – haben das nicht völlig ausgeschlossen. Ich glaube, zum jetzigen Augenblick kann man eigentlich nichts sagen, außer dass Staatsminister Stefan Löfven sich eine Block-überschreitende Politik wünschen würde. Eine Verankerung in der Bevölkerung hat das nicht. Nach Umfragen würde nur 18 Prozent der Bevölkerung eine solche Lösung, also eine wirklich sehr große Koalition befürworten. Die anderen sind dagegen.

DOMRADIO.DE: Mit welchen Gefühlen schauen Sie in die Zukunft?

Geister: Im Augenblick herrscht einfach Chaos. Wenn man die Nachrichten verfolgt, kommen jeden Augenblick Neues rein. Aber das Problem ist einfach, dass keiner etwas weiß, weil es keine denkbare Lösung im Augenblick gibt.

Ich vermute, das wird noch ein paar Wochen im Chaos weitergehen – mit einem Sturz des Staatsministers durch die Allianz und einer Unklarheit wie es weitergeht. Persönlich vermute ich, es wird doch irgendwo mit einer Block-überschreitende Politik enden, weil einfach die Schwedendemokraten nicht stubenrein sind. Aber das ist alles offen. Ich bin selbst gespannt.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Jesuitenpater Philip Geister (privat)
Jesuitenpater Philip Geister / ( privat )

Kardinal Anders Arborelius / © Marion Sendker (DR)
Kardinal Anders Arborelius / © Marion Sendker ( DR )
Quelle:
DR