Viele vermissen den Austausch mit einem nahen Menschen

Freundschaft – zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Viele wünschen sich einen guten Freund, eine gute Freundin, der oder die mit einem durch alle Hochs und Tiefs des Lebens geht. Doch echte Freundschaft ist angesichts vielfältiger Alltagsbelastungen ein rares Gut.

Autor/in:
Angelika Prauß
Zwei Freundinnen gehen Arm in Arm spazieren / © Antonio Guillem (shutterstock)
Zwei Freundinnen gehen Arm in Arm spazieren / © Antonio Guillem ( shutterstock )

"Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt": Was "Die Drei von der Tankstelle" schon 1930 in dem Film-Ohrwurm wussten, gilt heute mehr denn je. Angesichts zunehmender Vereinzelung, zerbrechender Familien und Anonymität im Großstadtleben werden Freundschaften immer wichtiger.

Doch Alltagsbelastungen, berufliche Mobilität und das Streben nach Selbstverwirklichung verhindern oft das Schließen und Pflegen von Freundschaften.

"Unterschätzte Sozialbeziehung"

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit klaffen oft Welten. Eine Krise der Freundschaft, "ja vielleicht der tiefsten, die sie je durchlaufen hat", beobachtet etwa Sebastian Schoepp. In seinem Buch "Rettet die Freundschaft" sinniert der Autor über den Wert und das Wesen dieser "unterschätzten Sozialbeziehung". Viele Menschen beklagten trotz unzähliger digitaler Kontakte, kaum Freunde zu haben. Es werde immer weniger persönlich miteinander geredet. Dabei sähen Psychologen die Freundschaft als "Bollwerk und Gegenmittel gegen Tiefs und Depressionen".

Wie sehr Menschen ein Gegenüber zum nahen Austausch vermissen, zeigt auch der jüngste Jahresbericht der TelefonSeelsorge Deutschland. Demnach ist Einsamkeit das Thema, das bei den Telefonaten am häufigsten zur Sprache kommt – in jedem vierten Gespräch. Die Menschen seien froh, ein Gegenüber zu haben, dem sie ihre innere Not beschreiben und bei dem sie sich aussprechen können, sagt Helmut Ellensohn, Leiter der TelefonSeelsorge Freiburg und Vorsitzender der katholischen Seite des Dachverbandes.

Jeder könnte ohne Freunde sein

Jeder könne in die "Freundschaftslosigkeit" abrutschen, betont Ellensohn: Etwa junge Menschen, die an ihrem neuen Studienort keinen Anschluss finden; junge berufstätige Eltern, die mit Job, Haushalt und Kindererziehung am Limit sind und deren Freundschaften unter die Räder kommen. "Dabei könnten sie eine gute Stütze sein", erklärt der Experte.

"Die moderne Welt mit ihren Zwängen, ihrer Zeittaktung, ihren Lebenskorsetts, ihrem Narzissmus und ihrer Leistungsorientierung macht die Freundschaftspflege in der Tat schwer", beobachtet auch Schoepp. Zwischen Arbeit und Familie blieben "alle nicht dringend überlebensnotwendigen Kontakte" auf der Strecke.

Einsamkeit ist in der letzten Lebensphase ein großes Thema. / © Beatrice Tomasetti  (DR)
Einsamkeit ist in der letzten Lebensphase ein großes Thema. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Einsamkeit im Alter

Aus der Erfahrung von Ellersohn haben auch Menschen in einer Partnerschaft nicht automatisch gute Sozialkontakte. Und Senioren erlebten, dass ihre gleichaltrigen Freunde krank werden und nur noch eingeschränkt mobil sind. "Persönliche Begegnungen werden damit im Alter immer schwieriger." Dabei leben erwachsene Kinder und Enkel oft an einem anderen Ort. Und denen klagten Senioren in der Regel auch nicht ihr Leid, weiß Ellensohn. "Den Kindern sag' ich nicht, wie es mir wirklich geht", zitiert der Theologe eine häufige Aussage.

Dabei sei der Mensch ein Beziehungswesen und die Sehnsucht groß, eine Person im Umfeld zu haben, mit dem man über persönlichen Krisen, Ängste, Krankheiten, aber auch positive Dinge sprechen könne, die einen bewegen: "Wenn jemand frisch verliebt ist, möchte er das mit einem anderen teilen." Anders als im Smalltalk scheine in guten Gespräche etwas Persönliches durch. Gerade diesen tieferen Austausch vermissen viele, beobachtet der Experte.

Innere Verbindung

Der wird auch durch berufsbedingte Ortswechsel oft erschwert. Man könne mit Freunden zwar auch digital in Verbindung bleiben, gibt Ellensohn zu bedenken. "Aber es ist etwas anderes, jemanden persönlich zu treffen, mit ihm einen Kaffee zu trinken oder zu wandern und über das Leben ins Gespräch zu kommen". Für ein gutes Gespräch brauche es eine "innere Verbindung, bei der sich beide Seelen berühren können", findet der Theologe.

Zwei Freunde prosten sich per Videochat zu / © giuseppelombardo (shutterstock)
Zwei Freunde prosten sich per Videochat zu / © giuseppelombardo ( shutterstock )

Für ihn ist es auch eine Frage der Persönlichkeit, ob ein Mensch Freunde findet und offen für Kontakte ist. Oft sei die Frage, wie man seine innere Hürde überspringen und auf andere Menschen zugehen kann. "Freundschaften entstehen aus Begegnung und fallen nicht vom Himmel."

Lebensfreude und Leichtigkeit

Wer solche Vertraute gefunden hat, darf sich glücklich schätzen. Für Schoepp verhelfen sie zu mehr Lebensfreude und Leichtigkeit. Freunde sind für ihn Menschen, "die einen auf Ideen bringen, deren Werte wir teilen, in deren Gegenwart das Bier besser schmeckt, die Musik besser klingt, die Sonne heller scheint, an deren Tür man um Mitternacht klingeln kann, wenn unsere Welt zusammengebrochen ist".

Quelle:
KNA