Viele Politiker wollen mit Entscheidung nicht mehr warten

Um Mehdorn wird es einsam

Am Wochenende war bekannt geworden, dass die Bahn auch den E-Mail-Verkehr von Mitgliedern der Gewerkschaft GDL sowie von Mitarbeitern von Bundestagsabgeordneten und Verkehrsexperten überwacht hat. Bahnchef Hartmut Mehdorn verliert nun auch immer mehr Unterstützung in der Politik.

Autor/in:
Martin Roy
 (DR)

Unions-Bundestagsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) sagte am Montag, er glaube nicht, dass Mehdorn noch zu halten sei. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) verweis zwar auf Verdienste Mehdorns sagte aber, wenn sich die Vorwürfe gegen den Bahnchef bestätigen sollten, müsse der Bund über personelle Konsequenzen beraten. Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Klaas Hübner, fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einer schnellen Entscheidung auf. Der Vorsitzende der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, sagte, er rechne mit einer Ausweitung der Datenaffäre. Rückendeckung erhielt Mehdorn vom Unions-Verkehrsexperten Hans-Peter Friedrich (CSU).

Am Wochenende war bekannt geworden, dass die Bahn auch den E-Mail-Verkehr von Mitgliedern der Gewerkschaft GDL sowie von Mitarbeitern von Bundestagsabgeordneten und Verkehrsexperten überwacht hat. Ein Bahn-Sprecher bestätigte, dass eine GDL-E-Mail mit einem Streikaufruf gelöscht wurde. Mehdorn wies Rücktrittsforderungen als politisch motiviert zurück.

"Er fasst jede Kritik als Affront auf"
Bosbach kritisierte, Mehdorn verhalte sich so, als gehöre ihm die Bahn persönlich. "Er nimmt Parlament und Bundesregierung nach meinem Eindruck nicht mehr ernst und fasst jede Kritik als Affront auf", sagte Bosbach. Er wisse nicht, was über die bekannten Vorfälle hinaus noch passieren müsse, bevor der Bund Konsequenzen ziehe.

Hübner sagte über Mehdorn: "Ein Politiker in dieser Position könnte sich nicht mehr halten." Sollten sich die Vorwürfe erhärten, wäre es für das Unternehmen besser, "wenn man eine neue Lösung für den Vorstandsvorsitz suchen würde". Eine Interimslösung an der Spitze der Bahn bis zur Bundestagswahl lehnte Hübner ab.

Steinbrück sagte, in der Debatte dürfe nicht vergessen werden, dass Mehdorn auch Verdienste habe. Die Deutsche Bahn habe sich in den vergangenen drei bis vier Jahren glänzend entwickelt.

Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sagte, es sei ein Gebot der Vernunft, die Untersuchungen der Vorwürfe gegen Mehdorn abzuwarten und den Aufsichtsrat entscheiden zu lassen. "Ich schätze mal, dass wir die Schlussfolgerungen bald haben werden, wohl in den nächsten Tagen", fügte er hinzu.

Weselsky forderte, die Bundesregierung als Bahneigentümerin müsse Mehdorn unverzüglich von seinem Posten entbinden. "Ich bin der festen Überzeugung, dass alles noch viel schlimmer ist als derzeit erkennbar", sagte Weselsky. Er warf Mehdorn vor, offenbar von heimlichen E-Mail-Überprüfungen gewusst zu haben. "Wenn eine Konzernsicherheit direkt an den Vorstand angebunden ist, macht sie nicht, was sie will, sondern das, was letztendlich vom Vorstand gewünscht ist", sagte er.

Der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Uwe Beckmeyer, forderte eine rasche Ablösung des Bahnchefs. Spätestens am Mittwoch, wenn der Verkehrsausschuss des Bundestages tage, müsse Klarheit herrschen.

Der Grünen-Verkehrsexperte Peter Hettlich warf Merkel und Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) vor, eine Hinhaltetaktik zu verfolgen. Ein weiteres Abwarten bis zur Bundestagswahl könne man sich aber nicht länger leisten. "Mehdorn schadet nicht nur der Bahn AG sondern auch dem Ansehen der Bundesrepublik", sagte Hettlich. Die Bahn agiere wie ein Staat im Staate.