Eingehende E-Mails wurden geöffnet, die Inhalte gelesen und gegen Mitarbeiter verwendet. Erhärtet sich dies, lässt hat das nichts mehr mit dem Datenabgleich zwischen Bahnmitarbeitern und Lieferanten zu tun, mit Korruptionsverdacht oder der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität. Bestimmte Mitarbeiter standen nach ddp/Dow Jones-Informationen unter einem nicht konkretisierten Generalverdacht.
Der Bahn-Konzern ließ offenbar mit nachrichtendienstlichen Methoden ermitteln. Fachkundige Insider schätzten dies als "strafrechtlich relevant" ein. Personalrechtlich relevant ist es allemal. Hier wurden das Post- und das Fernmeldegeheimnis mit Füßen getreten, hier ging es darum, Kritiker auszuschalten und befürchtete Informationslecks zu schließen.
Doch völlig unabhängig von der juristischen Bewertung sind diese Ermittlungsergebnisse im moralischen Sinne niederschmetternd. Noch im Februar hatte Vorstandschef Hartmut Mehdorn den Bahnmitarbeitern geschrieben, der "sogenannte Datenabgleich von Personalstammdaten mit Lieferantendaten" rechtfertige die heftig geäußerten Vorwürfe nicht. Mehdorn sagte: "Niemand ist dabei ausspioniert, abgehört und bespitzelt worden". Nun berichten die Ermittler von umfassenden E-Mail-Ausspähungen. Mehdorn hatte dem Aufsichtsrat gesagt, es seien "keine Journalisten oder Aufsichtsräte bespitzelt" worden. Nun sind laut Darstellung der Ermittler E-Mails von Journalisten ausgespäht worden. Von den Aufträgen wusste offenbar auch der Bahnvorstand, dessen Vorsitzender Mehdorn ist.
"Warum macht der Mehdorn das?"
Bisher hat der Vorstandschef Vorwürfe gegen sich oder die Führung stets energisch zurückgewiesen. Mehdorn schaltete mit großer Geste die Berliner Staatsanwaltschaft ein und sagte: "Wir erhoffen uns dadurch eine Versachlichung der Debatte." Ermittler ärgerten sich bald über "dieses Aufklärungsgedöns". Mehdorn erwecke den Eindruck, sagten sie, die Bahn wolle ihr gesamtes Überwachungsverhalten prüfen lassen und entsprechend umfangreiches Material übergeben. Statt dessen habe sie dies höchstens in Einzelfällen getan, bei denen eine von der Bahn eingeschaltete Detektei im Fokus stand. Spätestens seit die Sonderermittler Gerhart Baum und Herta Däubler-Gmelin über Behinderungen bei der Aufklärungsarbeit klagten, fragten sich den Vorstandsetagen deutscher Unternehmen viele: "Warum macht der Mehdorn das?"
Die jüngsten Nachrichten über fragwürdige Vorgänge in einem quasi-Staatsunternehmen könnten schnelle, drastische Konsequenzen haben. Die Gewerkschaften haben vor knapp zwei Wochen in einem Positionspapier betont, Mehdorn müsse im Zusammenhang mit den Überprüfungen zurücktreten, falls auch außerhalb der Korruptions- und Kriminalitätsbekämpfung "weitere Aufträge" erteilt wurden.
Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) macht ohnehin keinen Hehl mehr daraus, dass er Mehdorn am liebsten verabschieden würde. Aus dem Bundeskanzleramt hieß es stets, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wolle zunächst die Überprüfungen abwarten. Nun haben die Ermittler einen brisanten Zwischenbericht abgeliefert, und viele Blicke dürften sich erneut auf das Kanzleramt richten.
Ermittlungsergebnisse zur Datenaffäre belasten Vorstandschef Hartmut Mehdorn
Watergate bei der Bahn?
Eine neue Phase in der Affäre der Deutschen Bahn: Nach Informationen der Nachrichtenagentur ddp trugen Sonderermittler am Freitag neue Vorwürfe vor. Danach gibt es schriftliche Belege dafür, dass der E-Mail-Verkehr von Mitarbeitern anhaltend und umfassend überwacht und ausgewertet wurde.
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