Vertriebenenbund benennt Steinbach vorerst nicht für Stiftungsrat

Vernunft über Verdienst

Die Bundesregierung hat den Verzicht Erika Steinbachs auf einen Sitz im Stiftungsrat des geplanten Vertriebenen-Zentrums in Berlin als Schritt zur Versachlichung der Debatte gewürdigt. Die Entscheidung verdiene Respekt und Achtung, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg am Mittwoch in Berlin. Der Bund der Vertriebenen (BdV) hatte zuvor die Nominierung seiner umstrittenen Präsidentin für den Stiftungsrat zurückgenommen, wollte aber keinen anderen Vertreter benennen.

 (DR)

Kurz vor dem Ziel gab sie dem Druck doch nach.
Erika Steinbach verzichtete nach zehnjährigem Kampf für eine Vertriebenen-Gedenkstätte vorerst auf Sitz und Stimme im Leitungsgremium des in Berlin entstehenden Dokumentationszentrums.  Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) stieß das Projekt an - ohne sie hätte der Bundestag die Einrichtung im Deutschlandhaus unweit des Potsdamer Platzes wohl nie beschlossen. Aber besonders in Polen hatte ihre Nominierung eine Welle der Empörung ausgelöst. Im Nachbarland weckte ihr Name Ängste vor einem deutschem Revisionismus.

Auf Steinbachs Vorschlag entschied sich das BdV-Präsidium einstimmig dafür, sie «vorläufig nicht für den Stiftungsrat zu benennen», wie es in einer am Mittwoch verbreiteten Erklärung heißt. Als Grund gab der Vertriebenenbund an: «Wir wollen die nicht durch uns verursachte Blockade auflösen». Es solle verhindert werden, dass der BdV und Steinbach der «billige Vorwand» dafür seien, die Vertriebenen-Gedenkstätte des Bundes noch zu verhindern. Wirklich gefährdet wurde das Projekt nach Meinung der meisten Beobachter durch die Personaldebatte allerdings nicht.

Der ehrenamtlich arbeitende Rat der Stiftung «Flucht, Vertreibung, Versöhnung» besteht aus insgesamt 13 Mitliedern: drei von ihnen stellt die Bundesregierung, zwei der Bundestag, weitere drei schlägt der BdV vor. Kraft Amtes gehören dem Gremium zudem die Präsidenten des Deutschen Historischen Museums und des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland an. Die katholische und die evangelische Kirche sowie der Zentralrat der Juden stellen je einen Vertreter.

Zuletzt hatte sich die Deutsche Bischofskonferenz hinter Steinbach gestellt. Erst am Mittwoch hatte deren Vorsitzender, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, gesagt, Steinbach geschehe Unrecht.
«Über Jahre hat sich ein Bild von ihr als abschreckende Deutsche entwickelt, die sie in Wirklichkeit nicht ist.» Auch der Limburger Weihbischof Gerhard Pieschl, Beauftragter der Bischofskonferenz für die Vertriebenenseelsorge, bezeichnete die Kritik an der CDU-Politikerin als überzogen.

Die Bischöfe in Polen äußerten sich in letzter Zeit nicht zu dem Thema. Dafür reagierten polnische Politiker umgehend und begrüßten spürbar erleichtert den Kurswechsel des BdV. «Es ist eine optimale Lösung, dass sich der Bund der Vertriebenen gegen Steinbachs Kandidatur entschieden hat, weil das große Unruhe in den deutsch-polnischen Beziehungen gestiftet hätte», sagte Parlamentspräsident Bronislaw Komorowski.

In Polen verzeiht man Steinbach unter anderem nicht, dass sie 1990 als eine von wenigen Abgeordneten gegen die Anerkennung der deutsch-polnischen Grenze stimmte und sich anfangs gegen den Beitritt Polens zur EU aussprach. Doch der Hauptvorwurf lautet, aus deutschen Tätern Opfer zu machen. Das Vertriebenen-Zentrum lasse die fünf bis sechs Millionen polnischen Opfer vergessen. Zugleich verdränge es, dass die Führungen der USA, der damaligen Sowjetuion und Großbritanniens die Zwangsaussiedlung der Deutschen beschlossen.

All diese Befürchtungen verkörperte aus Sicht vieler Polen Erika Steinbach. Trotz des jetzigen Rückzugs ist ihre Mitwirkung am Stiftungsrat allerdings nicht gänzlich vom Tisch. Möglich scheint, dass die Politikerin bei einem Sieg von CDU/CSU und FDP bei der Bundestagswahl doch noch in das Gremium aufrückt - obwohl sie auch aus Kreisen der FDP gedrängt wurde, auf den Posten zu verzichten, und obwohl Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sich zuletzt nicht öffentlich für ihre Parteifreundin einsetzte.

Das BdV-Präsidium, das zunächst Steinbach sowie zwei ihrer Stellvertreter als Mitglieder des Stiftungsrates nominiert hatte, ließ das weitere Vorgehen offen. Der für Steinbach vorgesehene Platz soll nun demonstrativ leer bleiben und kein anderer Vertreter an ihrer Stelle vorgeschlagen werden. Wann und unter welchen Voraussetzungen das dritte Mitglied im Stiftungsrat benannt wird, erklärte der Verband zunächst nicht.