Lammert: Öffentlicher Streit erschwert Rückzug von Nominierung für Stiftungsrat

Druck auf Steinbach wächst

Der Druck auf Erika Steinbach zum Verzicht auf einen Posten im Stiftungsrat für das geplante Vertriebenenzentrum wächst. Zwar gab es am Wochenende erste Anzeichen, dass sich die in Polen heftig umstrittene Vertriebenen-Präsidentin von ihrer Nominierung zurückziehen könnte. Doch bestand die CDU-Bundestagsabgeordnete darauf, dass die polnische Seite keinen Einfluss habe und allein der Bund der Vertriebenen (BdV) entscheiden solle.

 (DR)

Unterdessen stellten sich Unionspolitiker hinter Steinbach und verlangten mehr Unterstützung auch aus den eigenen Reihen für die BdV-Präsidentin. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) verteidigte Steinbach, sagte aber zugleich, er traue ihr die Souveränität zu, einer Lösung nicht im Weg zu stehen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, erklärte, Steinbach können «sich um Deutschland verdient machen, indem sie jetzt schnell das Theater um ihren Stiftungsratssitz beendet». Was aus dem BdV zu hören sei, klinge alles nach Rückzug auf Raten.

Steinbach sagte der «Bild am Sonntag»: «Es gibt kein Recht für die polnische Seite, Einfluss auf die Besetzung des Stiftungsrates zu nehmen. Das Benennungsrecht für seine drei Sitze hat ausschließlich der Bund der Vertriebenen.» Dieses Recht des BdV müsse der polnische Ministerpräsident Donald Tusk respektieren. Zuvor hatte Steinbach dem Hamburger Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» gesagt, sie werde ihre Bewerbung mit dem BdV-Präsidium noch einmal erörtern. In der «Welt am Sonntag» betonte sie, dass über einen Verzicht auf ihre Nominierung allein der Vertriebenen-Bund entscheiden solle. Noch in diesem Monat solle im Präsidium beraten werden.

Spekulationen über einen Rückzug Steinbachs nährten auch Äußerungen des polnischen Ministerpräsidenten Tusk. Er sagte dem «Spiegel» nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitagabend in Hamburg: «Ich hoffe, dass niemand in Berlin die sehr guten Beziehungen, die jetzt zwischen Deutschland und Polen herrschen, gefährden wird.» Die Personalie Steinbach sei ein «deutsches Dilemma». Doch seien die Polen «sehr empfindlich, wenn es um die Verteidigung der Wahrheit über den Zweiten Weltkrieg geht. Da sind wir obsessiv - und werden es immer bleiben». Steinbach wird unter anderem dafür kritisiert, dass sie 1991 im Bundestag nicht für die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze stimmte, sich gegen den EU-Beitritt Polens aussprach und Entschädigungsforderungen deutscher Vertriebener aus polnischer Sicht keine deutliche Absage erteilt.

Bundestagspräsident Lammert sagte der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Montagsausgabe), in einem Gespräch mit dem polnischen Parlamentspräsidenten Bronislaw Komorowski habe er davor gewarnt, durch öffentlichen Druck auf die deutsche Vertriebenen-Präsidentin deren möglichen Verzicht auf einen Platz im Stiftungsrat zu erschweren. Das Thema sei zwischen Polen und Deutschland «zu einer Kraftprobe hochstilisiert worden, die für alle Seiten einen unauffälligen Rückzug verbaut», sagte Lammert. Nun müsse man zu einem Ergebnis kommen, das möglichst weitgehend den jeweiligen nationalen Stimmungslagen entspreche.

«Die Dämonisierung von Frau Steinbach in der polnischen Öffentlichkeit, an der sich leider auch viele prominente polnische wie deutsche Politiker beteiligt haben, ist grob unfair», sagte Lammert der Zeitung laut Vorabbericht. Das habe er auch seinem polnischen Kollegen gesagt. Der Einsatz der CDU-Bundestagsabgeordneten gegen Fundamentalismus innerhalb ihres eigenen Verbandes werde «auf diese wirklich schwer erträgliche Weise pervertiert».

Jochen-Konrad Fromme (CDU), vertriebenenpolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, wertete im Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin «Focus» die polnische Kritik an der Benennung seiner Parteikollegin Steinbach für den Stiftungsbeirat als «empörende Einmischung in eine innenpolitische deutsche Angelegenheit». «Man muss Frau Steinbach zur Seite stehen, niemand kann ihr vorwerfen, revanchistische Positionen zu vertreten», zitiert der «Spiegel» den brandenburgischen Innenminister Jörg Schönbohm
(CDU): «Ich hätte mir gewünscht, dass die CDU die Angriffe zurückweist, die ins Unmäßige gehen.»

Die BdV-Spitze hatte Steinbach Mitte Februar für den Beirat der Stiftung «Flucht, Vertreibung, Versöhnung» nominiert, unter deren Dach das Vertriebenzentrum in Berlin entstehen soll. Das hatte zu heftigen Protesten im Nachbarland geführt. Abschließend entscheidet das Bundeskabinett über die Besetzung des Stiftungsrates.