Versicherungen für Arme können in Entwicklungsländern Leben retten

Zwei Dollar für die Gesundheit

Mit seinem Krankenversicherungssystem steht Ruanda ziemlich einzigartig da. Der Großteil der Bevölkerung zahlt ein, alle profitieren davon. Das ist nicht überall so, in den meisten Entwicklungsländern fehlt den Menschen eine soziale Absicherung. Ein wichtiges Thema - auch für die Entwicklungshelfe hierzulande.

Autor/in:
Ann Kathrin Sost
 (DR)

Ein Hubschrauber landet vor dem King-Faisal-Krankenhaus in Kigali in Ostafrika. Ärzte rennen herbei, um den Patienten zu retten, der weit entfernt auf dem Land einen Unfall hatte: Ein kleiner Junge aus einer Familie von Kleinbauern, dessen Leben nun in der Hauptstadt Ruandas gerettet werden soll.

"In unserem Land wäre das unvorstellbar", sagt die Journalistin Mwambu Kalule aus dem Nachbarland Uganda. Wenn in ihrem Land überhaupt jemand mit dem Helikopter in eine Klinik geflogen würde, sagt sie, dann ein hochrangiger Regierungs- oder Armeeangehöriger. Einen Grund für die unterschiedliche Behandlung sieht sie in der Krankenversicherung: In Ruanda ist sie Pflicht. In Uganda ist eine medizinische Grundversorgung für jeden Bürger zwar theoretisch kostenlos. Doch weder alle wichtigen Medikamente noch alle grundlegenden Behandlungen seien darin eingeschlossen, kritisiert Kalule.

Ruanda steht mit seinem Krankenversicherungssystem "Mutuelles de Santé communautaires", in das 85 Prozent der Bevölkerung einzahlen, nicht nur in Afrika ziemlich einzigartig da. 80 Prozent der Weltbevölkerung fehlt es an jeglicher sozialer Absicherung jenseits der Familie. 100 Millionen Menschen stürzen jährlich in Armut, weil sie sich die Kosten für eine medizinische Behandlung nicht leisten können. Krankenversicherungen haben in den meisten Entwicklungsländern nur Staatsbedienstete und Mitarbeiter in der Privatwirtschaft. 85 Prozent der Erwerbstätigen arbeiten jedoch im informellen Sektor, etwa als Tagelöhner oder Marktverkäuferinnen.

Aufmerksamkeit in der deutschen Entwicklungspolitik
Seit einigen Jahren findet das Thema soziale Sicherung verstärkt Aufmerksamkeit in der deutschen Entwicklungspolitik. Für Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) hat es eine besondere Brisanz: "Gerade in der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise zeigen die Entwicklungsländer ein hohes Interesse an sozialen Sicherungssystemen", sagt sie. In der Krise wirkten soziale Netze als Stabilisatoren. Das Ministerium will in diesen Tagen ein Konzept darüber fertigstellen, was deutsche Entwicklungspolitik beizutragen hat und wo Hindernisse bestehen.

Deutscher Vorreiter beim Aufbau sozialer Sicherungssysteme ist die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). In Zusammenarbeit mit dem ruandischen Gesundheitsministerium hat sie zum Ausbau der dortigen staatlichen Krankenversicherung beigetragen: Diese gründet auf genossenschaftlichen Gruppen, sogenannten gemeindebasierten Versicherungen - ganz ähnlich wie zu Anfangszeiten der deutschen Versicherungen vor rund 150 Jahren. Die Versicherten im ländlich geprägten Ruanda zahlen ihren Beitrag direkt in den Büros vor Ort, pauschal etwa zwei US-Dollar im Jahr.

In rund 30 Ländern fördert die GTZ den Aufbau sozialer Sicherungssysteme. Dabei geht es nicht nur um den Schutz gegen Armut: "Wer versichert ist, fällt seltener als Arbeitskraft aus", sagt der GTZ-Experte für Mikroversicherungen, Matthias Rompel. Das komme wiederum dem Wirtschaftswachstum zugute.

Die GTZ befasst sich auch mit Mikroversicherungen für Todesfälle, Hausrat und Katastrophenschutz. Gemeinsam mit großen Versicherungskonzernen unterstützt die Organisation Minipolicen, mit denen auch Arme sich eine Absicherung leisten können. Zum Beispiel in Indonesien: Mithilfe der Münchener Rück sichert die GTZ in einem Pilotprojekt Menschen in Überflutungsgebieten vor Schäden ab. In der Trockenzeit können sie für 50.000 Rupien (rund 3,50 Euro) eine Versichertenkarte kaufen. Im Schadensfall, wenn der Pegelstand eine bestimmte Höhe übersteigt, erhält der Versicherte den fünffachen Betrag zurück. Einfach und unbürokratisch - nur so rechnen sich Miniversicherungen für beide Seiten, erklärt Rompel.

"Ohne motivierte Regierungen geht es nicht"
"Eine Universalwaffe sind Mikroversicherungen jedoch nicht", räumt der GTZ-Mann ein. Denn für die Allerärmsten sind schon Minimalbeträge unerschwinglich. Parallel braucht es daher Systeme für Sozialhilfe oder Sozialtransfers - doch die existieren in vielen Entwicklungsländern nicht. Bei den Krankenversicherungen stellt sich in vielen Entwicklungsländern noch ein anderes Problem: Wenn das Gesundheitssystem selbst marode ist, ist die Motivation gering, sich zu versichern. Der Ausbau aber ist teuer: Auch das Musterland Ruanda kann ihn sich nur leisten, weil der Staatshaushalt gut zur Hälfte von ausländischen Entwicklungshilfe-Gebern finanziert wird.

"Ohne motivierte Regierungen in den Empfängerländern geht es nicht", ergänzt der Grünen-Entwicklungsexperte Thilo Hoppe. Viele Länder wünschten sich aber eher "Prestigeprojekte, die vor allem interessant für städtische Eliten sind", sagt der Vorsitzende des Bundestags-Entwicklungsausschusses. Kleinstversicherungen, die vor allem für die vorwiegend ländliche Bevölkerung wichtig wären, sind einfach noch nicht "in" genug.