Orthodoxe Kirche in Bulgarien ist ökumenisch reserviert

Vereinnahmung durch Kommunisten wirkt nach

Wenn Papst Franziskus eine Reise unternimmt, wird er vor Ort meist auch von Menschen anderer Konfessionen sehr herzlich empfangen. Bei seinem Bulgarien-Besuch ab diesem Sonntag dürfte das ein wenig anders ausfallen.

Autor/in:
Heinz Gstrein
Eine Frau zündet Kerzen in der Kathedrale Sveta Nedelya in Sofia an / © Harald Oppitz (KNA)
Eine Frau zündet Kerzen in der Kathedrale Sveta Nedelya in Sofia an / © Harald Oppitz ( KNA )

Bei seinem Besuch in Bulgarien wird Papst Franziskus auf eine orthodoxe Kirche treffen, die ihn mit kühler Distanz erwartet.

Kein gemeinsames Gebet, erst recht keinen ökumenischen Gottesdienst soll es geben, kündigte die Bischofssynode Anfang April an. Immerhin äußerte Patriarch Neofit später die Hoffnung, dass seine Begegnung mit dem Papst "im Geist von Verständnis und guten Beziehungen" stehen werde.

Bulgarische Orthodoxe Kirche war ökumenisch aufgeschlossen

In der Tat war die Bulgarische Orthodoxe Kirche bis in die neueste Zeit durchaus ökumenisch aufgeschlossen. Sie zählt heute etwa sechs Millionen Gläubige in Bulgarien und weitere zwei Millionen in einer weltweit gewordenen Diaspora; in Berlin hat Metropolit Antonij Michalev von West- und Mitteleuropa seinen Sitz.

Das ursprünglich türkische Volk der Bulgaren war im Gefolge der Völkerwanderung auf dem Balkan eingedrungen, hatte dort die slawische Sprache und im 9. Jahrhundert das Christentum angenommen. Um seine kirchliche Zugehörigkeit entbrannte ein halbes Jahrtausend lang Streit zwischen Konstantinopel und Rom, der zur Entfremdung und schließlich Trennung von Orthodoxen und Katholiken in ihrer Gesamtheit beitrug. Unter der osmanischen Herrschaft wurden die Bulgaren dem griechisch-orthodoxen Religionsvolk (rum milleti) einverleibt, bis 1767 noch mit einem eigenen Erzbistum in Ohrid, dann direkt unter dem Ökumenischen Patriarchen in Konstantinopel.

Katholiken gab es im osmanischen Bulgarien so gut wie keine, bis es im 17. Jahrhundert den Franziskanern - ähnlich wie in Bosnien bei den Bogomilen - gelang, die spätgnostische Gemeinschaft der Paulikianer zu bekehren. Erhalten blieb von diesen nur der Name Pavlikeni oder Palceni für die katholischen Bulgaren des römischen Ritus.

Bei ihren Nachkommen wird Papst Franziskus in Rakovski die Erstkommunion spenden. Da es sich bei ihnen nicht um für den Katholizismus gewonnene Orthodoxe handelt, war und ist das Verhältnis beider Konfessionen in Bulgarien an und für sich gut. Kulturgeschichtlich kommt ihnen auch zugute, dass auf ihre Initiative hin in Rom 1651 mit dem "Abagar" das erste Buch mit sprachlichen Elementen des Neubulgarischen gedruckt worden ist.

Kaum Vorurteile gegen Ostkatholiken des byzantinischen Ritus

Bei den Bulgaren herrschen aber ebenso kaum Vorurteile und Feindseligkeit gegen Ostkatholiken des byzantinischen Ritus. Diese Unierten werden anderswo - vor allem in der Ukraine - als Haupthindernis für orthodox-katholische Verständigung betrachtet.

Nicht so in Bulgarien. Die bulgarische "Union von Kukes" hat sich als Vorläufer des Wiedererstehens einer von Konstantinopel eigenständigen Orthodoxie 1870 von allen Seiten anerkannte Verdienste erworben. Sie wurde sogar während der kommunistischen Herrschaft zwar verfolgt, aber nicht wie in der Sowjetunion oder Rumänien aufgehoben.

Die Kommunisten in Sofia setzten das ökumenische Erbe der bulgarischen Orthodoxen gezielt für ihre Weltfriedenspropaganda ein. So geriet der Ökumenismus in Bulgarien im glaubenstreuen Volk und Klerus erstmals in Verruf. Nach der Wende erfolgte daher in der bulgarischen Orthodoxie eine Abkehr von der Ökumene, die zusammen mit anderen Faktoren sogar zu einer Spaltung zwischen der durch Kollaboration belasteten Patriarchatskirche und einer "echt orthodoxen" Alternativ-Synode führte, die 1996 einen Gegenpatriarchen aufstellte.

Um diesem ökumenefeindlichen Lager keine Angriffsflächen zu bieten, trat die kanonische Bulgarische Orthodoxe Kirche Ende 1998 aus dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) und der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) aus.

Gegenwind für Johannes Paul II.

Papst Johannes Paul II. bekam bei seinem Besuch 2002 diesen Gegenwind zu spüren. In der Folge war besonders Metropolit Kyrill Kovacev von Varna bemüht, die bulgarische Orthodoxie aus ihrem ökumenischen Abseits wieder herauszuführen. So veranstaltete er 2006 zusammen mit dem Wiener Kardinal Christoph Schönborn und der Stiftung "Pro Oriente" eine orthodox-katholische Tagung.

Als er nach dem Tod von Patriarch Maksim Ende 2012 zum "locum tenens" gewählt wurde, schien ein Neuaufbruch in die Ökumene möglich. Doch starb Kyrill 2013 im Schwarzen Meer bei einem tragischen Badeunfall. In der Folge geriet die bulgarisch-orthodoxe Kirche durch fast völlige Absorbierung der "Alternativ-Kirche" wieder stark auf deren antiökumenischen Kurs.


Papstreise (dpa)
Papstreise / ( dpa )
Quelle:
KNA
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