Verantwortungsgemeinschaft jenseits von Familie oder Ehe

Zivilpakt vs. Ehe?

Mit einem "Zivilpakt" will die FDP Menschen stärken, die außerhalb des Familienverbundes Verantwortung übernehmen. Es geht zum Beispiel um Steuervergünstigungen oder Erbschaften. Kritiker sehen darin einen Angriff auf das Rechtsinstitut der Ehe.

Neue Beziehungsformen: Zusammenleben im Alter / © Jörg Loeffke (KNA)
Neue Beziehungsformen: Zusammenleben im Alter / © Jörg Loeffke ( KNA )

DOMRADIO.DE: Frau Ruster, was halten Sie von diesem Vorstoß der FDP?

Heidi Ruster (Leitung der Katholischen Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen im Erzbistum Köln): Mir gefällt diese Idee recht gut. Dieser Vorstoß ist angemessen; auch zeitlich, politisch und sozial. Das kann man nur unterstützen. Wir, die wir uns um menschliche Beziehungen und Verbindungen kümmern, finden das gut und sagen, dass das längst an der Zeit ist. Das, was Solidarität befördert oder Verantwortungsbewusstsein stärkt, soll ja meistens auch staatlicherseits unterstützt werden, wenn das möglich ist.

DOMRADIO.DE: Das heißt, das ist aus Ihrer Sicht auch kein Konkurrenz-Konstrukt zur Ehe oder würde die Idee der Ehe unterlaufen oder womöglich aushöhlen?

Ruster: Überhaupt nicht! Die FDP selber sagt das und ich sehe auch, dass die Familien heute recht belastet sind. Sie sind oft überfrachtet mit Ansprüchen nach Unterstützungsangeboten oder auch nach Solidarität und Verantwortung. Es ist ja eigentlich noch nie so gewesen, dass man sich ganz selbstverständlich auf dieses Polster "Familie" verlassen kann. Aber heute, in Zeiten in denen beruflicherseits eine hohe Mobilität erwartet wird und in denen die Jugend weit verstreut ist, Alte zurückbleiben – da klappt diese Generationenidee nicht. Wobei man auch sagen muss, das ist auch ein Fakt, der mir ständig begegnet: Ungeheuer viel Unterstützung wird von anderen längst übernommen. Das passiert doch unentgeltlich. Viele Menschen werden in ihrem Heim, zu Hause unterstützt. Bis es dann wirklich zu einer Pflege kommt, hat es ja meistens einen langen Vorlauf. Wenn da keine Freunde und Nachbarn gäbe, ich weiß gar nicht, wie kalt diese Welt wäre.

DOMRADIO.DE: Sie sagen, dieser Zivilpakt könnte Freunden und Nachbarn zugutekommen. Wem noch?

Ruster: Ja, das sind natürlich die Menschen, die nicht natürlicherweise durch Verwandtschaft oder Liebe miteinander verbunden sind. Das sind Menschen, die vielleicht zufällig miteinander wohnen, in gesunden Zeiten Bekanntschaft und Zuneigung entwickelt haben, die aufeinander achtgeben. Ich habe da z.B. eine Rentnerin im Blick, die mal den Hund der Nachbarin übernommen hat. Danach hat sie natürlich auch Krankenhausbesuche gemacht und Wäsche gewechselt. Ein Neffe kam ab und zu mal von ganz weit weg. Man wartet da manchmal vergebens. Man darf auch nicht zu viel erwarten: Wenn vorher die Familie nicht unbedingt in einem Liebesverhältnis zueinander stand, dass sie dann selbstverständlich auf der Matte stehen, wenn es dann eng wird. Aber die Alten oder die Kranken, die Alleinerziehenden, die besondere Unterstützung brauchen, die brauchen die auch mal spontan. "Jetzt muss ich zum Arzt." "Würden Sie gerade mal?" – All diese Dinge.

Und diese Rentnerin, von der ich erzählte, musste wirklich viel aufwenden, um nachher die alte Dame noch regelmäßig im Altenheim zu besuchen – was ihr schwergefallen ist, da sie ja nicht so viel Geld hatte. Also, da wurde auch mal eine Tankfüllung extra geleistet. Und wenn diese Frau zum Beispiel weniger Steuern zahlen müsste, fände ich das gut, wenn das irgendwie respektiert wird. Oder wenn man als Alleinerziehende einfach beim Standesamt ganz unbürokratisch etwas hinterlässt: "Wir beide haben ein Zivilpakt miteinander". Dann kann auch die Omi, also die "Wahl-Omi" mal zum Kinderarzt gehen oder darf Medizin geben, die hat im Kindergarten ein Abholrecht, darf vielleicht auch mal mit der Lehrerin sprechen und so weiter. Das wäre so schön, denn das würde alle entlasten. Ich glaube, dass diese Idee keinesfalls in Konkurrenz zur Ehe steht, sondern – so wie ich die FDP einschätze – ist das mehr als Konkurrenz zur Einmischung des Staates gemeint. Die möchten alles sehr viel privater und individueller regeln und in diesem Punkt kann ich das unterstützen.

Das Interview führte Verena Tröster.


Heidi Ruster / © Anja Sabel / Kirchenbote Osnabrück
Heidi Ruster / © Anja Sabel / Kirchenbote Osnabrück
Quelle:
DR
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