Venezuela steht nach der Ölkatastrophe unter Schock - und diskutiert

Hilfe verwehrt?

Venezuela steht unter Schock. Die Bilder von der Katastrophe in einer der größten Ölraffinerien des südamerikanischen Landes bewegen die Menschen. In die Trauer mischt sich jetzt auch Kritik am Krisenmanagement der Regierung. Kirchliche Organisationen hatten offenbar vergeblich ihre Hilfe angeboten.

Autor/in:
Tobias Käufer
 (DR)

Nach offiziellen Angaben wurden bei der Explosion in Amuay im nordwestlich gelegenen Bundesstaat Falcon in der Nacht zu Samstag 39 Menschen getötet und 80 Menschen teils schwer verletzt. "Das ist eine Tragödie großen Ausmaßes. Die Regierung hat nicht die ganze Wahrheit gesagt", sagte der katholische Erzbischof von Coro, Roberto Lückert Leon, der Tageszeitung "El Universal". Berichten der örtlichen Pfarreien zufolge seien wegen der heftigen Explosion ganze Plätze in unmittelbarer Nachbarschaft der Raffinerie von der Landkarte getilgt worden. "Gebäude sind einfach verschwunden, Häuser schwer beschädigt", so Lückert. Die Familien der Opfer beklagten, dass die Krankenhäuser in der Nachbarschaft auf eine solche Katastrophe nicht ansatzweise vorbereitet gewesen seien. Es fehle an elementaren Dingen wie Verbandszeug, Infusionen oder Desinfektionsmittel.



Hilfsangebote benachbarter Provinzen lehnte die Regierung nach Darstellung von Kritikern ab. Vertretern kirchlicher Hilfsorganisationen wie der Caritas blieb demnach der Zugang verwehrt - obwohl diese anboten, den umherirrenden Menschen zu helfen. Viele Bewohner in unmittelbarer Nachbarschaft der Raffinerie hätten ihre Häuser verloren und seien verzweifelt auf der Suche nach verschwundenen Angehörigen gewesen. Der Versuch kirchlicher Hilfsorganisationen, mit dem Vizestaatspräsidenten Elias Jaua oder dem Präsidenten des Erdölkonzerns Pdsva, Rafael Ramirez, Kontakt aufzunehmen, seien erfolglos geblieben.



Gebete für Opfer und Angehörige

So bleibt Kirchenvertretern einstweilen nur, geistlichen Beistand zu spenden. Die venezolanischen Bischöfe drückten den Angehören der Todesopfer des Raffinerie-Unglücks ihre Anteilnahme aus: "Die Gebete und die Zuneigung aller Katholiken Venezuelas ist in diesem Moment mit Ihnen", heißt es in einem Hirtenbrief. Erzbischof Lückert forderte von der Regierung ein Sofortprogramm, um den obdachlos gewordenen Menschen umgehend eine neue Unterkunft bereitzustellen.



Auch Präsident Chavez, der eine dreitägige Staatstrauer anordnete, bemühte Beistand von oben. Am Sonntag nahm er an einem offiziellen Gedenkgottesdienst für die Toten teil. Bei seinem Besuch an der Unglückstätte berief er sich Medienberichten zufolge auch auf die Bibel. Dort stehe, dass der Tod nicht das letzte Wort habe.



Frühe Hinweise auf Sicherheitsmängel

Zugleich warnte der Präsident vor "unverantwortlichen Theorien" über die Unglücksursache und rief dazu auf, die Untersuchungen abzuwarten. Bislang geht man von einem Leck aus. Daraus sei Gas entwichen und explodiert und habe zwei Öltanks und weitere Einrichtungen in Brand gesetzt. Bereits vor der Katastrophe von Amuay hatte die Opposition auf Sicherheitsmängel in den Anlagen des staatlichen Konzerns Pdsva hingewiesen. Umweltschutzorganisationen warfen dem Unternehmen in der Vergangenheit immer wieder Verstöße gegen Umweltschutzauflagen vor.



Venezuela gilt als ölreichstes Land der Erde. Die vermuteten Reserven machen knapp 18 Prozent der weltweiten Reserven aus. Saudi-Arabien mit 16 und Kanada mit 10 Prozent folgen auf den Plätzen zwei und drei. Erst vor wenigen Wochen hatte Chavez angekündigt, bis 2019 die Ölförderung in Venezuela verdoppeln zu wollen.