DOMRADIO.DE: Ein tolles Bild, wie der Papst da in weißer Soutane neben dem weißen Pferd steht. Herr Nersinger, gab es denn früher auch mal Pferde für den Papst?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Buch-Autor): Oja, und zwar im 19. Jahrhundert. Da gab es auch Araberhengste als Geschenk. Der Herrscher des Osmanischen Reiches, also der Sultan von Konstantinopel, hatte Papst Gregor XVI. einige Araberhengste geschenkt. Das war der Beginn einer neuen Ära zwischen der Hohen Pforte und dem Vatikan. Und diese Araberhengste waren lange im Vatikan.
Pius IX., der das Ende des Kirchenstaates erlebt hat und nicht mehr aus dem Vatikan herauskam, hat dann den letzten dieser Hengste benutzt, um in den vatikanischen Gärten noch einige Ausritte zu machen. Es waren sehr gemächliche Ausritte, weil der Papst meinte, es sei ja schon ein sehr altes Tier. Der Papst ritt sehr gemächlich durch die vatikanischen Gärten.
DOMRADIO.DE: Was haben Sie noch zum Thema gefunden?
Nersinger: Die Pferde gehörten zum päpstlichen Zeremoniell. Bei der Besitzergreifung der Lateranbasilika etwa war es früher üblich, dass man dies mit dem Pferd unternahm. Dann gab es im Vatikan Gruppierungen, die Pferde hatten, die päpstliche Nobelgarde etwa war bis 1905 zum Teil beritten. Und es gab natürlich bis in die 1920er Jahre noch Kutschen und Stallungen im Vatikan.
DOMRADIO.DE: Jetzt gibt es unterschiedliche Angaben, was Papst Leo XIV. mit seinem Araberhengst Proton machen wird. Vielleicht versteigern für einen guten Zweck oder behalten? Was wissen Sie da?
Nersinger: Also das Versteigern kann ich mir kaum vorstellen. Ich glaube eher, dass er nach Castel Gandolfo übersiedelt. Dort haben wir ja eine ganz neue Art und Weise, mit der Umwelt umzugehen, und dazu gehören auch Tiere.
Viehzucht ist übrigens schon lange Tradition in Castel Gandolfo, und ich vermute, dass der Araberhengst dort "landen" wird, um es mal salopp zu sagen.
DOMRADIO.DE: Pferdegeschenke für die Päpste waren also durchaus üblich. Welcher Papst war denn ein richtiger Pferdeliebhaber?
Nersinger: Die Päpste waren eigentlich alle richtige Pferdeliebhaber, aber besonders fällt Clemens XIV. auf. Der war nicht nur ein Pferdeliebhaber, sondern ein sehr ungestümer Reiter, ein Reiter, der wirklich eine Reitleidenschaft hatte. Da ist auch eine ganze Reihe von Unglücken passiert.
Die Besitzergreifung seiner Bischofskirche geschah damals noch zu Pferde. Da ist dem Papst das Pferd durchgegangen und er fiel auf den Boden. Er hat sich nicht großartig verletzt, sondern ist aufgestanden und hat direkt einen Witz gemacht: "Ah, das heißt, diesmal nicht als Petrus, sondern als Paulus von meiner Bischofskirche Besitz zu nehmen".
DOMRADIO.DE: Habe ich das richtig gelesen, dass immer auch Ärzte anwesend waren, um das Schlimmste zu verhindern?
Nersinger: Ja, der Papst liebte es, wenn er in Castel Gandolfo war, Ausritte zu machen, und bei diesen Ausritten war er ungestüm – zur Freude übrigens der Bevölkerung, die ihn beklatschte und das fantastisch fand, nicht aber zur Freude seiner Umgebung. Es standen immer zwei Ärzte bereit, um die Stürze des Heiligen Vaters zu verarzten, und das war leider häufig der Fall.
DOMRADIO.DE: Okay, er wurde verarztet und dann ging es weiter...?
Nersinger: Dann ging es weiter, ja. Da war er nicht zu bremsen und es gibt sogar Noten von Botschaftern. Die schickten dann an ihre Regierungschefs, Könige oder Fürsten, eine Notiz und schrieben: "Und schon wieder hat uns der Heilige Vater in große Aufregung versetzt".
DOMRADIO.DE: Papst Clemens XIV. war damals wahrscheinlich so was wie der Galopper des Jahres. Wie sah denn so ein Papst aus, wenn er in Castel Gandolfo mit dem Pferd über Stock und Stein gesprungen ist?
Nersinger: Ja, ich denke, jeder Modedesigner heute hätte seine Freude daran, denn der Papst sah recht modern aus. Er trug nicht die übliche Soutane, sondern so eine Art weißen Gehrock – früher nannte man das Soutanelle, eine Mischung zwischen Gehrock und Soutane – dazu weiße Kniebundhosen und einen roten Hut. Das sah "sehr fesch" aus, würde man in Österreich sagen. Das war schon etwas, das man nicht erwartet hätte.
DOMRADIO.DE: Können Sie sich vorstellen, dass wir Papst Leo XIV. einmal so sehen?
Nersinger: Ich denke schon, dass er das Pferd mal ausreitet. Ob wir ihn dann so sehen, ist natürlich eine andere Frage. Da wird wahrscheinlich auch das Protokoll Überlegungen anstellen. Aber dass er reiten wird, das könnte ich mir durchaus vorstellen.
Das Interview führte Carsten Döpp.