Vatikanexperte lobt Ablass durch Papst Franziskus

"Eine gute Richtung"

Papst Franziskus will zum Welttag der Großeltern und alten Menschen einen Ablass gewähren. Von Ulrich Nersinger erntet er dafür viel Lob. Der Vatikan-Experte taucht zum Thema Ablass tief in die Kirchengeschichte sowie die Gegenwart.

 Beichte mit Papst Franziskus
 / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Beichte mit Papst Franziskus / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Ein Ablass ist nicht wie die Beichte, die Vergebung der Sünden, sondern der Nachlass zeitlicher Sündenstrafen, so heißt es ganz offiziell. Das müssen Sie mal kurz und knapp erklären. 

Vatikanexperte Ulrich Nersinger (EWTN)
Vatikanexperte Ulrich Nersinger / ( EWTN )

Ulrich Nersinger (Journalist und Vatikan-Experte): Das ist das große Problem, dass der Ablass immer falsch verstanden wird. Der Ablass ist so etwas wie ein Nachlass der Sündenstrafen. Bei einer Beichte bekommen Sie ja auch eine gewisse Verpflichtung auferlegt. Das sind meistens fromme Verrichtungen, Gebete. Das heißt also, man soll eine Tat, die man begangen hat, die man bereut hat und von der man auch losgesprochen worden ist, dann doch in irgendeiner Weise noch gut machen.

Ulrich Nersinger, Journalist und Vatikan-Experte

"Wenn ich irgendetwas angestellt habe, wenn ich jemandem Schaden zugefügt habe, dann ist natürlich immer die Möglichkeit der Reue da und der Vergebung. Aber ich muss ja diesen Schaden auch irgendwie wiedergutmachen."

Das ist wie im weltlichen Leben. Wenn ich irgendetwas angestellt habe, wenn ich jemandem Schaden zugefügt habe, dann ist natürlich immer die Möglichkeit der Reue und der Vergebung da. Aber ich muss diesen Schaden auch irgendwie wiedergutmachen. Und das ist im Grunde das, was wir unter Sündenstrafen verstehen. Diese Sündenstrafen kann man dann auch durch ein - sagen wir es ruhig - Geschenk der Kirche auf eine bestimmte Weise erfüllen. 

Papst gewährt Ablass zum Welttag der Großeltern 

Der Vatikan gewährt zum zweiten katholischen Welttag der Großeltern und alten Menschen am 24. Juli einen vollkommenen Ablass, also den Erlass von Strafen im Jenseits. Möglich sei dieser für alle Gläubigen, die an der Zeremonie des Papstes oder an einer der weltweit stattfindenden Veranstaltungen anlässlich des Welttages teilnehmen, heißt es in dem am Montag veröffentlichten Dekret.

Zeit mit den Großeltern verbringen / © Monkey Business Images  (shutterstock)
Zeit mit den Großeltern verbringen / © Monkey Business Images ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Seit wann gibt es denn überhaupt in der Kirche diese Tradition, einen solchen Ablass zu gewähren? 

Nersinger: Ich denke, man kann kein genaues Datum festlegen, aber das ist eigentlich schon eine sehr, sehr alte Tradition, die auch schon im ersten Jahrtausend und in der Frühzeit der Kirche vorhanden ist. 

DOMRADIO.DE: Im 16. Jahrhundert gab es dann unter anderem von Martin Luther Kritik am Ablasshandel, den die Kirche damals betrieben hat. War das damals eine Fehlentwicklung oder sollten wir die Praxis des Ablasses vielleicht grundsätzlich in Frage stellen? 

Nersinger: Nein, die Praxis sollte man gar nicht infrage stellen. Es war eine Fehlentwicklung, die noch nicht einmal so sehr von Rom kam.

Wir kannten vor allen Dingen in Deutschland die berühmten Ablassprediger, etwa Johann Tetzel, den Dominikanermönch. Die haben etwas sehr Schlimmes gemacht. Sie haben den Eindruck bei den Gläubigen erweckt, dass sie sich von den Sünden freikaufen könnten. Sie haben also die Begriffe Sünden und Sündenstrafen ganz geschickt so formuliert, dass für die Leute der Eindruck entstand, dass man sich durch den Ablass vor allen Dingen durch Geld von Sünden freikaufen könnte und nicht von den Sündenstrafen.

Aber die Kirche hat noch in dem gleichen Jahrhundert gesehen, dass das auf jeden Fall vermieden werden muss. Man hat noch im 16. Jahrhundert diese Möglichkeit des Ablasshandels, wie er genannt wird, abgeschafft. 

DOMRADIO.DE: Wie steht denn Papst Franziskus heute zur Praxis, Ablässe zu gewähren? 

Ulrich Nersinger, Journalist und Vatikan-Experte

"Ich denke, der Papst möchte mit diesem Schritt, - auch, was die Großeltern betrifft - dass die Barmherzigkeit Gottes mit unserer eigenen Barmherzigkeit korrespondiert."

Nersinger: Das ist ganz interessant. Wenn wir mal die letzten Jahre zurückblicken, hat er immer wieder Ablässe und vollkommene Ablässe gewährt. Er scheint da sehr für zu sein. Ich vermute, das hängt auch sehr stark mit seinem Verständnis von der Barmherzigkeit zusammen. 

Papst Franziskus im Gespräch mit einer Patientin in der Gemelli-Klinik / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus im Gespräch mit einer Patientin in der Gemelli-Klinik / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Zum Welttag der Großeltern und alten Menschen können nicht nur die einen Ablass empfangen, die an den päpstlichen Zeremonien teilnehmen, sondern auch diejenigen, die sich an diesem Tag ausreichend Zeit für den Besuch von alten, kranken, einsamen oder behinderten Menschen nehmen. Ist das neu, dass hier eine sozial-karitative Tätigkeit mit dem Empfang eines Ablasses verbunden wird? 

Nersinger: Nein, ganz und gar nicht. Das ist eigentlich auch die Praxis der alten Kirche, der frühen Kirche gewesen, dass man gute Werke tut. Im Verlauf der Zeit hat sich das ein bisschen auf die Leistung von Gebeten, von Rosenkränze und von anderen frommen Übungen verlagert, aber weniger auf Sachen, die in den sozialen Bereich gehen. Darauf will Franziskus einen sehr großen Wert legen.

Ich denke, der Papst möchte mit diesem Schritt, - auch, was die Großeltern betrifft - dass die Barmherzigkeit Gottes mit unserer eigenen Barmherzigkeit korrespondiert. Das ist eine sehr schöne Sache. Das führt den Ablass wirklich in eine gute Richtung, in die eigentlich ursprüngliche Intention, dass hier etwas Gutes geschaffen werden soll.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Quelle:
DR