Vatikan zwischen Trauerfeierlichkeiten und Konklave-Vorbereitung

Ein Kommen und Gehen

Hautnah hat Chefredakteur Renardo Schlegelmilch die Trauerfeierlichkeiten für Franziskus in Rom mitbekommen. Ungewöhnlich waren diese allemal, nicht nur weil seit 100 Jahren kein Papst mehr außerhalb des Petersdoms begraben wurde.

Menschen am Straßenrand, in der Mitte das Papamobil mit dem Sarg von Papst Franziskus, vor dem Kolosseum auf dem Weg zur Kirche Santa Maria Maggiore / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Menschen am Straßenrand, in der Mitte das Papamobil mit dem Sarg von Papst Franziskus, vor dem Kolosseum auf dem Weg zur Kirche Santa Maria Maggiore / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sind denn die Eindrücke mit einer Nacht Abstand schon verarbeitet?

DOMRADIO.DE Chefredakteur Renardo Schlegelmilch im Vatikan / © Renardo Schlegelmilch (DR)
DOMRADIO.DE Chefredakteur Renardo Schlegelmilch im Vatikan / © Renardo Schlegelmilch ( DR )

Renardo Schlegelmilch (Chefredakteur DOMRADIO.DE): Meine Muskeln und der Schlafmangel sagen das Gegenteil. Aber es ist etwas extrem Beeindruckendes. Ich bin bereits seit ungefähr zehn Jahren immer mal wieder bei Veranstaltungen im Vatikan. Etwas in dieser Dimension habe ich aber noch nicht erlebt. 400.000 Leute waren da. Man muss es konkretisieren: Es waren 250.000 bei der Beerdigung und 150.000 an den Straßen. An einem normalen Tag besuchen, wenn ich es richtig im Kopf habe, 25.000 Menschen den Petersplatz. Das Zehnfache war also gestern der Fall. 

Da denkt man sich, das geht eigentlich gar nicht. Tut es auch nicht, die Leute haben sich in den Straßen in der Umgebung versammelt. Die komplette Via de la Conciliazione – diese große, lange Prunkstraße mit dem Blick auf den Petersdom, die man von den Fotos kennt – war komplett voll. Trotzdem ging alles zivilisiert zu und die Stimmung bewegte sich zwischen Andacht und Volksfest. Jemand sagte, das war genau der freudige Abschied, den Franziskus sich gewünscht hätte.

Renardo Schlegelmilch

"Die Stimmung bewegte sich zwischen Andacht und Volksfest."

DOMRADIO.DE: Gewünscht hat er sich auch, dass nicht nur Staatschefs und Kleriker kommen, sondern auch eine Auswahl von Obdachlosen Platz in der Trauergemeinde hatten.

Schlegelmilch: Das fand ich extrem beeindruckend. Die saßen vor dem Petersdom, gemeinsam mit Selenskyj, Trump, von der Leyen, Steinmeier, Scholz, den ganzen Kardinälen, Bischöfen und kirchlichen Würdenträgern, die aus der ganzen Welt geladen sind. Das hatte er sich explizit in seinem Testament gewünscht. 

Er wollte, dass alles einfacher und bescheidener läuft. Das ist sehr schwierig, denn egal, was man macht, ist es die größte Veranstaltung des Jahres. 170 Staatsgäste waren da. Gerade in dieser Situation bei allen, die kommen wollen und vielleicht auch nicht dürfen, einen Platz für die Leute frei zu halten, die sonst überhaupt keinen Platz bekommen, sagt das mehr aus als Testamente, Reden und Predigten.

DOMRADIO.DE: 150.000 Menschen waren bei der Prozession quer durch Rom dabei. Wie war das?

Menschen am Straßenrand, in der Mitte das Papamobil mit dem Sarg von Papst Franziskus, auf dem Weg zur Kirche Santa Maria Maggiore / © Kendall Mclaren/CNS photo (KNA)
Menschen am Straßenrand, in der Mitte das Papamobil mit dem Sarg von Papst Franziskus, auf dem Weg zur Kirche Santa Maria Maggiore / © Kendall Mclaren/CNS photo ( KNA )

Schlegelmilch: So etwas kennt man überhaupt nicht. Das letzte Mal, dass ein Papst nicht im Petersdom beerdigt wurde, ist über 100 Jahre her, das war im Jahr 1903. Deswegen haben wir uns im Vorhinein die Frage gestellt, wie das ablaufen wird. Sie haben den Sarg ins Papamobil gelegt, mit dem er, während er gelebt hat, auch schon durch die Straßen an den Menschenmengen vorbei gefahren ist. 

Franziskus im gleichen Auto ein letztes Mal durch die Massen fahren zu sehen, ist sehr bewegend. Einerseits am Kolosseum vorbei, das war beeindruckend, andererseits durch die ganz normalen römischen Straßen. 

Jemand sagte zu mir: "Guck mal, der nimmt den gleichen heruntergekommenen Tunnel, den ich morgens immer mit dem Bus nehme." Was spricht mehr dafür, wofür der Mensch stand, als auch jetzt nochmal den Weg zu nehmen, den die ganz normalen Leute nehmen?

DOMRADIO.DE: Trump und Selenksyj sind aufeinander getroffen, davon redet die Welt natürlich auch. Was hat man davon mitbekommen?

Schlegelmilch: Das Foto ging überall herum. Die beiden sitzen sich gegenüber im Petersdom und unterhalten sich. Eigentlich ist das nichts Ungewöhnliches: Menschen kommen dort hin und unterhalten sich. Aber gerade in den heutigen Zeiten ist dieses Bild viel wert. Die Beerdigung war ein Anlass, dass die Menschen aus den unterschiedlichsten Richtungen, politisch und geographisch, dort hinkommen. Selenskyj selbst hat hinterher getwittert, es könnte ein historischer Moment gewesen sein. 

Auf diesem am 26.04.2025 vom Pressebüro des ukrainischen Präsidenten via AP zur Verfügung gestellten Foto unterhalten sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (r) und US-Präsident Donald Trump bei der Beerdigung von Papst Franziskus im Vatikan / © Uncredited/Ukrainian Presidential Press Service/AP (dpa)
Auf diesem am 26.04.2025 vom Pressebüro des ukrainischen Präsidenten via AP zur Verfügung gestellten Foto unterhalten sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (r) und US-Präsident Donald Trump bei der Beerdigung von Papst Franziskus im Vatikan / © Uncredited/Ukrainian Presidential Press Service/AP ( dpa )

Ich war bei der Pressekonferenz, bei der sich Kardinal Marx nach der Beerdigung geäußert hat. Er sagte, einerseits stehe es ihm als Kirchenmann nicht zu, Empfehlungen an die Politik zu geben, aber wenn wir als Kirche irgendwas erreichen könnten, dann sei es an diesen Orten, wo wir Gelegenheiten und Plattformen geben könnten, damit solche Gespräche stattfänden. Ich bin gespannt, wie es jetzt weitergeht.

DOMRADIO.DE: Nutzen die Kardinäle schon die Zeit, sich zu beschnuppern während der neun Tage Trauer, der Novendiales?  

Schlegelmilch: Jetzt ist die einzige Möglichkeit, dass sie sich kennenlernen können. Es heißt immer so schön, am Ende treffe der Heilige Geist die Entscheidung, wer der nächste Papst wird. Aber der kommt nicht beim Konklave heruntergeflogen. Die katholische Überzeugung ist eher, dass er in den Gesprächen und Begegnungen steckt, die in diesen Tagen stattfinden. 

Jetzt dürfen sie noch miteinander reden. Im Moment gibt es noch die Treffen der Generalkongregation, die finden Montag und Dienstag wieder statt. Dort wird endgültig der Termin festgelegt, wann das Konklave losgeht. Das wissen wir noch nicht, wir kennen nur das Zeitfenster. 

Renardo Schlegelmilch

"Die Listen, die in den Medien zu den größten Kandidaten für den nächsten Papst auftauchen, halte ich für relativ unsinnig."

Danach gibt es das Vorkonklave, da gibt es schon Gottesdienste mit Predigten. Die Listen, die in den Medien zu den größten Kandidaten für den nächsten Papst auftauchen, halte ich für relativ unsinnig. Eine wirkliche Entscheidung wird in diesen Tagen durch die Predigten und den Eindruck getroffen, den die Leute machen, die von überall herkommen. 

Das wird eine viel größere Rolle spielen als die Frage, wer die meiste Erfahrung hat oder wer von welchem Kontinent kommt. In diesen Tagen wird sich wahrscheinlich herauskristallisieren, wer tatsächlich Chancen hat.

DOMRADIO.DE: Das bedeutet, die Kardinäle predigen bei diversen Gottesdiensten, die anderen hören zu und dann wird ausgelotet?

Schlegelmilch: Genau. Man sagt, dass das bei Bergoglio, bei Papst Franziskus, 2013 genauso war. Er hat eine starke Predigt im Vorkonklave gehalten. Dann haben die Leute sich gedacht: Vielleicht brauchen wir so einen, der diesen Kurienapparatismus furchtbar findet und vom anderen Ende der Welt kommt.

DOMRADIO.DE: Wann wird man denn die berühmten Worte "Habemus papam" hören?

Konklave/Papstwahl

Frühestens am 15., spätestens nach Ablauf von 20 Tagen nach dem Tod oder Amtsverzicht eines Papstes müssen die Kardinäle zur Wahl eines Nachfolgers (Konklave) zusammentreten. Sie werden dazu vom Dekan des Kardinalskollegiums einberufen. 

Der Begriff Konklave stammt aus dem klassischen Latein und bedeutet "verschlossener Raum". Denn während des Wahlvorgangs sind die Kardinäle von der Außenwelt abgeschlossen.

Konklave (KNA)
Konklave / ( KNA )

Schlegelmilch: Man kann rechnen. Wir sind in der Trauerzeit von neun Tagen, die am Samstag begonnen haben. Sie endet demnach am Montag der kommenden Woche. Dann gibt es fünf Tage Zeit. Man sagt, dass es zwischen dem 15. und 20. Tag losgehen soll. 

Die Gerüchteküche vermutet, dass es nächste Woche Dienstag beginnt. Bei Benedikt und Papst Franziskus war es so, dass es ungefähr zwei Tage gedauert hat. Man vermutet, aber das ist alles Kaffeesatzleserei, dass es ein bisschen länger gehen könnte. Genau aus dem Grund, dass sie sich alle noch nicht kennen. 

Ich denke, dass wir am Ende der kommenden Arbeitswoche, nächste Woche Donnerstag oder Freitag eine Info bekommen könnten. Was für uns gut ist, weil am Sonntag darauf der offizielle erste große Gottesdienst des neuen Papstes stattfindet - es klingt immer noch komisch, das zu sagen. Dann muss man nicht so lange warten, das wären theoretisch zwei, drei Tage später.

Das Interview führte Oliver Kelch.

Quelle:
DR

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