Vatikan-Vertreter alarmiert über Barack Obamas Reformprogramm

Fundamentaler Richtungswechsel

Mitarbeiter des designierten US-Präsidenten haben am Wochenende angedeutet, dass Obama einige Entscheidungen Bushs revidieren werde, darunter auch das Verbot der Forschungsförderung für embryonale Stammzellen und die in den USA stets umstrittene Abtreibungsgesetzgebung. Kurienkardinal Julian Herranz, langjähriger Justizminister des Vatikan, zeigt sich alarmiert.

 (DR)

Nach der Sensibilität von George W. Bush in dieser Frage käme nun ein Signal, dass in den Laboren alles erlaubt sei, wenn es nur therapeutischen Zwecken diene, sagte der Kirchenjurist laut der italienischen Tageszeitung "La Stampa"

«Wir müssen Obama sagen, dass das Leben in allen seinen Phasen von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende respektiert werden muss», erklärte Herranz. Dass der Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen sei, gelte als Glaubenswahrheit «sowohl für uns Katholiken als auch für Protestanten wie Obama».

Obama will mehrere fundamentale Richtungsentscheidungen seines noch amtierenden Vorgängers George W. Bush rückgängig machen. So soll die Abtreibung kein Ausschlusskriterium für die Finanzierung von Familienplanungsprojekten in Entwicklungsländern mehr sein und die Forschung an embryonalen Stammzellen in den USA soll wieder mit staatlichen Mitteln gefördert werden.

Von langer Hand geplant
Wie nun bekannt wird, hat Obama seinen deutlichen Politikwechsel offenbar von langer Hand geplant. Bereits vor Monaten soll der Senator ein 50 Mitglieder starkes Beraterteam beauftragt haben, kontroverse Verordnungen der Bush-Regierung aufzulisten, die sich ohne größeren Aufwand rückgängig machen lassen. Rund 200 Gesetzesinitiativen und Verordnungen soll die Liste umfassen und so brisante Themen wie den Klimaschutz, die Energieversorgung sowie eben ethische Fragen im Blick haben.

Obamas Berater sollen in diesen Tagen mit liberalen Lobbygruppen, demokratischen Abgeordneten und Behördenchefs darüber beraten, welche Richtungsentscheidungen zuerst korrigiert werden sollen. Bis zur Amtsübergabe am 20. Januar könnte die Liste durchaus noch länger werden. Denn umgekehrt versucht derzeit die Bush-Mannschaft, sich durch eine Lawine von Last-Minute-Entscheidungen ein politisches Denkmal zu setzen.

Trotz aller überparteilichen Versöhnungsrhetorik scheint der künftige Präsident entschlossen, zuletzt einflussreiche Gruppierungen wie etwa die religiöse Rechte nun außen vor zu lassen.

Vor allem die Evangelikalen konnten sich unter Bush eines Weißen Hauses sicher sein, das sich beharrlich für den Lebensschutz einsetzte. So hatte Bush, ein sogenannter wiedergeborener Christ, jeden Gesetzentwurf, der eine staatliche Förderung der Forschung an embryonalen Stammzellen erlaubt hätte, per Veto blockiert. Und das, obwohl in beiden Häusern des Kongresses große Mehrheiten dafür gestimmt hatten. Sein Argument: Er wolle verhindern, dass «Steuerzahler die mutwillige Zerstörung menschlicher Embryos unterstützen».

In der Vergangenheit hatten sich nicht nur Demokraten dafür eingesetzt, die staatliche Förderung der Embryonenforschung zu verstärken. Auch viele Parteigenossen Bushs, darunter etwa die ehemalige First Lady Nancy Reagan, Witwe des unter Republikanern hoch verehrten Präsidenten Ronald Reagan (1981-1989), waren dafür. Reagan starb 2004 an den Folgen der Alzheimer-Krankheit - also wie Parkinson eines der Leiden, für das sich Mediziner Hilfe durch Stammzelltherapien versprechen.

Da der Kongress die derzeit gültigen Einschränkungen nie als Gesetz abgesegnet hat, könnte sie Obama mit einem Federstrich rückgängig machen. Medienberichten zufolge haben Gegner der Stammzell- und Abtreibungspolitik Bushs bereits entsprechende präsidiale Verfügungen vorformuliert; Obama müsse sie, sobald im Amt, nur noch unterzeichnen.

Demokraten und Republikaner
Würde Obama am Tag eins gleich zum Streichkonzert anheben, würde er wiederholen, was sein Vorgänger Bush vormachte. Denn auch der hatte im Januar 2001 schon an seinem ersten vollen Arbeitstag im Oval Office eine Verfügung in Kraft gesetzt, wonach keine Steuergelder zur Unterstützung von internationalen Familienplanungs-Organisationen verwandt werden dürfen, die Abtreibungen durchführen. Das hatte zwar bereits Präsident Reagan angeordnet, doch dessen Verfügung hatte dann - ebenfalls gleich zu Beginn seiner Amtszeit - der demokratische Nachfolger Bill Clinton wieder aufgehoben.

Bush nutzte dann seine erste größere Ansprache im August 2001 dazu, die Verwendung von Bundesmitteln für die Forschung an embryonalen Stammzellen zu stoppen. Wissenschaftler und Befürworter haben seitdem vergeblich versucht, den Präsidenten umzustimmen. Zweimal legte Bush sein Veto gegen Gesetzentwürfe des Kongresses ein, die das Verbot aufgehoben hätten. Nun, mit Obama also, geht es wieder einmal zurück zu neuen Ufern.