Vatikan verteidigt Papst-Worte zu russischen Zaren 

"Ermutigung an Jugendliche"

Der Vatikan hat auf ukrainische Kritik an Worten des Papstes über russische Herrscher des 17. und 18. Jahrhunderts reagiert. Es gehe um die Darstellung historischer Zusammenhänge, nicht um Lob, betonte Vatikansprecher Matteo Bruni.

Papst Franziskus / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Mit seinen spontan formulierten Worten habe der Papst russische Jugendliche ermutigt, das beizubehalten, was es an Positivem im großen kulturellen und geistlichen Erbe Russlands gebe, so Vatikansprecher Matteo Bruni am Dienstag.

Die imperialistischen Konzepte und die Persönlichkeiten früherer Epochen, die er lediglich genannt habe, um den historischen Zeitraum anzugeben, habe der Papst damit in keiner Weise loben wollen, erklärte der Sprecher. 

Matteo Bruni, Direktor des Presseamts des Heiligen Stuhls / © Cristian Gennari (KNA)
Matteo Bruni, Direktor des Presseamts des Heiligen Stuhls / © Cristian Gennari ( KNA )

Am Vortag hatte der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, Oleh Nikolenko, auf Facebook geschrieben:

"Es ist sehr bedauerlich, dass russisches Großmachtdenken, das in Wirklichkeit die Ursache für Russlands chronische Aggressivität ist, bewusst oder unbewusst aus dem Mund des Papstes kommt."

Mit solch "imperialistischer Propaganda" und der Behauptung, das große Russland müsse gerettet werden, rechtfertige der Kreml die Ermordung Tausender Ukrainer.

"Vergesst niemals das Erbe"

Franziskus hatte am Freitag in einem Video-Gespräch zu jungen Menschen in Russland gesagt: "Vergesst niemals das Erbe.

Ihr seid Erben des großen Russlands: des großen Russlands der Heiligen, der Könige, des großen Russlands von Peter dem Großen, von Katharina II." Dieses Reich habe eine große Kultur und "viel Menschlichkeit" besessen. "Ihr seid Erben der großen Mutter Russland, macht weiter damit".

Verwirrung, Schmerz und Sorge

Der neue Vorsitzende der römisch-katholischen Ukrainischen Bischofskonferenz, Bischof Witalij Skomarowskyj, erklärte am Dienstag, die Worte des Papstes hätten bei Gläubigen große Verwirrung und Schmerz ausgelöst. Mit seiner Ansprache habe Franziskus die Gläubigen zweifellos unterstützen wollen.

"Die Erwähnung des 'großen Russlands' mit seiner großen Kultur und Menschlichkeit zeugt jedoch leider vom Fortbestehen des Mythos des Humanismus und der Größe des Staates, der seit neun Jahren einen blutigen und brutalen Krieg gegen die Ukraine führt", so Skomarowskyj.

Als Kirche und ukrainische Gesellschaft lehne man jeden Ausdruck der Unterstützung für die "russische Welt" ab, die so viel Leid verursacht habe. Ein "Mangel an angemessenem Dialog zwischen dem Papst und der Ukraine auf kirchlicher und diplomatischer Ebene" habe "solche Missverständnisse" verursacht, so der Bischof von Luzk.

Auch das Oberhaupt der mit Rom verbundenen griechisch-katholischen Kirche, Kiews Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk, reagierte "mit großem Schmerz und großer Sorge". Die Äußerung habe in der ukrainischen Gesellschaft eine "tiefe Enttäuschung" verursacht, hob er in einer schriftlichen Erklärung hervor.

Die Worte über das große Russland Peters des Großen und Katharinas der Großen seien ein schlimmes Beispiel "für Imperialismus und extremen russischen Nationalismus". Es bestehe die Gefahr, dass sie als Unterstützung für den Nationalismus und Imperialismus verstanden würden, der für den Krieg gegen die Ukraine verantwortlich sei, so der Geistliche.

Forderung nach Erklärung

Schewtschuk verlangte eine Stellungnahme des Vatikans: "Um jegliche Manipulation der Absichten, des Kontextes und der Aussagen, die dem Heiligen Vater zugeschrieben werden, zu vermeiden, erwarten wir vom Heiligen Stuhl, dass er diese Situation erklärt."

Die spontan formulierten Worte des Papstes auf Spanisch hat der Vatikan auf seiner Homepage nicht veröffentlicht, sie verbreiteten sich dennoch über digitale Netzwerke. Auf der Vatikanseite heißt es stattdessen: "Ich lade euch ein, Brückenbauer zwischen den Generationen zu sein und die Träume derer anzuerkennen, die euch vorausgegangen sind. Das Band der Generationen hält die Geschichte und die Kultur eines Volkes lebendig. Ich wünsche euch, junge Russen, die Berufung, Friedensstifter inmitten all dieser Konflikte zu sein." 

Die Vatikanbotschaft in Kiew hatte bereits am Montag die Interpretation dementiert, dass Franziskus junge russische Katholiken ermutigt hätte, "sich von historischen russischen Persönlichkeiten inspirieren zu lassen, die für imperialistische und expansive Ideen und Handlungen bekannt sind, die sich negativ auf die benachbarte Bevölkerung, einschließlich des ukrainischen Volkes, ausgewirkt haben".

Der Papst sei "ein entschiedener Gegner und Kritiker jeglicher Form von Imperialismus oder Kolonialismus bei allen Völkern und in allen Situationen".

Christliche Kirchen in der Ukraine

Die kirchlichen Verhältnisse in der Ukraine sind komplex. Rund 70 Prozent der 45 Millionen Ukrainer bekennen sich zum orthodoxen Christentum. Sie gehören allerdings zwei verschiedenen Kirchen an: der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (UOK) des Moskauer Patriarchats und der autokephalen (eigenständigen) Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU). Zudem gibt es eine römisch-katholische Minderheit mit rund einer Million Mitgliedern sowie die mit Rom verbundene (unierte) griechisch-katholische Kirche der Ukraine.

Das Heilige Feuer aus Jerusalem am 18. April 2020 im Kiewer Höhlenkloster Petscherska Lawra, Hauptsitz der ukrainisch-orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats. / © Sergey Korovayny (KNA)
Das Heilige Feuer aus Jerusalem am 18. April 2020 im Kiewer Höhlenkloster Petscherska Lawra, Hauptsitz der ukrainisch-orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats. / © Sergey Korovayny ( KNA )
Quelle:
KNA