Vatikan sucht nach Pannen im Fall Wielgus Ausweg

Nuntius in Polen immer mehr unter Druck

Im polnischen Kirchendrama nach dem Rücktritt des Warschauer Erzbischof Stanislaw Wielgus gerät offenbar der Nuntius immer stärker unter Druck. Während in Rom bereits Spekulationen über eine baldige Versetzung von Papst-Botschafter Jozef Kowalczyk kursieren, ging in Polen Wielgus selbst an die Öffentlichkeit. Er wehrte sich in einem Interview mit der katholischen Nachrichtenagentur KAI gegen den Vorwurf der Falschaussage und dokumentierte als Beleg den Wortlaut seines schriftlichen Eides vom 2.12.2006 für den Nuntius.

 (DR)

"Nie etwas Schlechtes gegen Priester oder Laien gesagt"
Darin versicherte Wielgus - vier Tage vor seiner Ernennung durch den Papst - "dass ich mich während der Begegnungen und Gespräche, die ich vor meinen Auslandsreisen in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts mit Vertretern der Miliz und der Spionage hatte, niemals gegen die Kirche ausgesprochen habe. Und dass ich nie etwas Schlechtes gegen Priester oder (katholische) Laien gesagt habe". Der Nuntius hatte zuvor behauptet, Wielgus habe ihm seine Zusammenarbeit mit dem früheren Regime verheimlicht. Er seinerseits, so Kowalczyk, habe den Vatikan pflichtgemäß über alle Details auf dem Laufenden gehalten.

Unterdessen beraten der Papst und die Spitzen des Vatikan über die Erschütterung in der Kirche des katholischsten Landes Osteuropas. Am Donnerstag beriet Benedikt XVI. mit dem wichtigsten Polen an der Kurie, dem vatikanischen Bildungsminister Kardinal Zenon Grocholewski. Am Samstag kam der Chef der Bischofs-Kongregation, Giovanni Battista Re, zur Audienz beim Papst. Auch dabei dürfte die Causa Wielgus samt Schadensbegrenzung und Zukunftsmaximen im Vordergrund gestanden haben - schließlich ist Res Behörde für die Bischofsernennungen in (fast) aller Welt zuständig. Und normalerweise ist die Kongregation bei der Überprüfung der Kandidaten übergründlich. So ist auch bereits Kritik an dem Chef der Bischofskongregation laut geworden, die diesmal offenbar nicht all ihre Vorsicht und Weitsicht habe walten lassen.

Allerdings bewegt sich die Bischofs-Kongregation hier auf neuem Terrain. Zu Zeiten von Kaltem Krieg und Ostblock galten Bischofsernennungen in den mittelosteuropäischen Ländern im Vatikan als heikle "politische" Angelegenheit, für die nicht die Kongregation, sondern direkt das Staatssekretariat mit seinem diplomatischen Überblick zuständig war. Das galt erst recht unter dem polnischen Papst, der Polen und die übrigen Kirchen unter kommunistischer Herrschaft als "Chefsache" betrachtete. Erst Benedikt XVI. trug hier der neuen Normalität Rechnung und übergab bald nach seiner Wahl die Bischofsernennungen in ehemaligen Ostblockstaaten an die Bischofs-Kongregation.

Benedikt XVI. bleibt zurückhaltend
Warschau war damit die erste wichtige Ex-Ostblock-Besetzung in Eigenregie der Kongregation - was manche Unsicherheit und Missverständnisse in der Kommunikation erklären könnte. So beantragte die Kirche offenbar erst Anfang Januar beim "Institut für das Nationale Gedächtnis", dem polnischen Pendant zur deutschen Birthler-Behörde, die Einsicht in Wielgus' Dossier. Das zumindest behauptet dessen Instituts-Leiter Janusz Kurtyka gegenüber italienischen Medien.

Benedikt XVI. hat sich bislang nicht öffentlich zu den Entwicklungen in Polen geäußert. Beim Mittagsgebet am Sonntag sprach er in einem Grußwort auf Polnisch nur von "besonders schwierigen Momenten des Lebens". Aber eine fromme Predigt über führende Gestalten der Frühkirche nutzte er vergangenen Mittwoch, um Verantwortung und Unterscheidungskraft bei der Einsetzung kirchlicher Amtsträger anzumahnen. "Lege niemanden vorschnell die Hände auf", zitierte er einen Paulus-Brief. Das werteten Beobachter auch als Monitum an die Kurie.

Neuerdings tauchten in italienischen Medien mehrfach Vermutungen auf, unter dem Papst und seinem neuen Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone laufe der vatikanische Verwaltungsapparat noch nicht rund. Noch nicht alle Behörden hätten sich auf den neuen Arbeitsstil und die neuen Prioritäten eingestellt. Und erneut gab es Gerüchte über bald anstehende Personalveränderungen an der Kurie. Dazu passt, dass Benedikt XVI. bald neue Kardinäle ernennen dürfte, vielleicht im Frühjahr, spätestens aber zum römischen Patronatsfest Peter und Paul Ende Juni.

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