Vatikan-Konferenz zu grüner Gentechnik sorgt für Diskussionen

Rotes Tuch

Eigentlich wird in der "Casina Pio IV." das bedächtige Wort gepflegt. Der idyllisch inmitten der vatikanischen Gärten gelegene Renaissancebau ist Sitz der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften. Und sorgt als kirchlicher think tank abseits der Alltagshektik für einen unaufgeregten Dialog mit Forschern aus aller Welt. Diesem Zweck sollte auch die heute beginnende Studienwoche dienen. Doch die Veranstaltung mit dem sperrigen Titel "Transgene Pflanzen für die Nahrungsmittelsicherheit im Entwicklungszusammenhang" brachte schon im Vorfeld die Gemüter in Wallung.

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

Wie der Vatikan sich da dem Reizthema grüne Gentechnik nähert, ging sogar manchem Kirchenvertreter zu weit. Eine einseitige Ausrichtung warf der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick den Veranstaltern vor. Der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz stand mit seiner Meinung nicht allein. Zahlreiche Verbände und Organisationen legten Protest gegen die Veranstaltung ein. Geladen seien lediglich Befürworter eines Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen, beklagte etwa der Dachverband katholischer Entwicklungsorganisationen CIDSE in einem Schreiben an den Akademie-Kanzler, den argentinischen Bischof Marcelo Sanchez Sorondo.

Tatsächlich finden sich in der vorläufigen Teilnehmerliste eine Reihe von Namen, die diesen Vorwurf zu untermauern scheinen. Allen voran der Botaniker Eric Sachs, Forschungsleiter beim US-Unternehmen Monsanto. Der Agrarkonzern ist mit über 90 Prozent Marktanteil der größte Anbieter von gentechnisch verändertem Saatgut und für seine aggressive Expansionsstrategie bekannt. Läuft die Kirche also Gefahr, sich von Unternehmensinteressen instrumentalisieren zu lassen, wie Kritiker befürchten?

"Alles blanker Unsinn", meint der Freiburger Biologe Peter Beyer.  "Die Konferenz ist lediglich als Standortbestimmung gedacht." Der Professor am Zentrum für Angewandte Biowissenschaften gehört zu den rund 40 Teilnehmern der Studienwoche. International bekannt wurde Beyer durch das Projekt "Golden Rice". Die mit Beta-Carotin, einer Vitamin-A-Vorstufe, angereicherte Reispflanze soll helfen, Ernährungsmängel in Entwicklungsländern zu bekämpfen. Derzeit laufen Feldversuche in fünf asiatischen Staaten. Ab 2012 sollen einheimische Landwirte auf das neue Produkt Zugriff haben. "Ohne dass ein Großkonzern dazwischensteht", wie Beyer betont.

Genau darum sei es den Veranstaltern im Vatikan gegangen, betont der Freiburger Forscher. In "stiller Runde" wollte man erläutern, wie sich gemeinnützige Initiativen auf den nationalen Märkten etablieren ließen - trotz erdrückender Konkurrenz durch Unternehmen wie Monsanto. "Da hätte ich den Industrievertretern gerne mal auf den Zahn gefühlt", bekennt Beyer. Aber das sei nun leider nicht mehr möglich. Die Akademie habe nach den andauernden Protesten die Gästeliste stark verändert.

"Wir reden hier über 7.000 Hungertote - pro Tag"
Für den Wissenschaftler sind das Zeichen eines absurden Glaubenskrieges. "Wir reden hier über 7.000 Hungertote - pro Tag", sagt er. Da müsse die Frage nach einem Einsatz von gentechnisch verändertem Saatgut vorurteilsfrei diskutiert werden. Natürlich seien längst nicht alle Risiken bekannt. Aber die Debatte werde viel zu oft aus "der übersättigten Perspektive der Europäer geführt".

Doch auch in den Entwicklungsländern gibt es Vorbehalte gegenüber der neuen Technik. Der Jesuitenpater Peter Henriot leitet in Sambia ein großes Bildungszentrum. Er verweist auf ein kirchliches Arbeitspapier zu der demnächst stattfindenden Afrika-Synode. Darin warnen die Autoren, dass gentechnisch veränderte Pflanzen oftmals die eigentlichen Wurzeln des Übels nicht bekämpfen: den Mangel an Ackerland, Wasser, Energie und landwirtschaftlichem Know-How.

Welchen Kurs die Kirche nun tatsächlich verfolgen wird, bleibt offen. Der für entwicklungspolitische Fragen im Vatikan zuständige Kardinal Renato Raffaele Martino wollte sich zu dem umstrittenen Treffen nicht äußern. Ein Sprecher verwies auf eine Fachtagung der von Martino geleiteten Behörde im Herbst 2003. Damals wurde eine Stellungnahme des Heiligen Stuhls über grüne Gentechnik angekündigt - sobald man alle wissenschaftlichen Argumente unter ethischen Gesichtspunkten abgewogen habe. Doch auch sechs Jahre später ist noch kein Termin für das betreffende Vatikan-Dokument absehbar. Es handle sich um eine "komplexe Materie", hieß es.