Vatikan-Botschafter Tomasi über die UN-Rassismuskonferenz

"Ein Schritt nach vorn"

Die Durban-Nachfolgekonferenz der Vereinten Nationen über Rassismus und Diskriminierung in Gen ist am Freitag zu Ende gegangen. Der Vertreter des Heiligen Stuhls, Erzbischof Silvano Tomasi, äußert sich in einem bilanzierenden Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur am Samstag über den Ertrag der Beratungen, die Rolle des Vatikan und mögliche Folgen des Eklats um den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad.

Autor/in:
Burkhard Jürgens (
 (DR)

KNA: Herr Erzbischof, war die Konferenz in Genf ein Erfolg?
Tomasi: Die Durban-Nachfolgekonferenz hat einen Text hervorgebracht, der von allen Seiten akzeptiert worden ist. 182 Staaten haben ihn gebilligt, und er enthält wichtige Impulse für die Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz in allen ihren Formen. Aus dieser Sicht war die Konferenz ein Schritt nach vorn im langen Prozess der internationalen Gemeinschaft. Dass zeitweilig bestimmte politische Äußerungen die Vorstellung von Journalisten beschäftigten, ist begreiflich, hat aber ein bisschen von den neuen Inhalten abgelenkt - etwa dem Menschenhandel von Frauen und Kindern oder der Diskriminierung illegaler Einwanderer.

KNA: Worauf wollte der Heilige Stuhl besonders hinweisen - und ist die Botschaft übergekommen?
Tomasi: Papst Benedikt XVI. nannte die Konferenz eine wichtige Gelegenheit für den Kampf gegen Rassismus. Wir haben die Gleichheit und die Würde jedes Menschen unterstrichen und einige Punkte herausgehoben, die im Schlussdokument nicht besonders klar vorkommen oder die von anderen Delegationen nicht berührt wurden.
Beispielsweise das Augenmerk auf diskriminierte Christen: Weltweit bilden sie die größte Gruppe, deren Menschenrechte aufgrund ihres Glaubens nicht respektiert werden. Experten sprechen von insgesamt 200 Millionen in den verschiedenen Ländern.

Ein anderer Punkt war die aktuelle Gefahr einer Eugenik. Die Möglichkeiten der biotechnologischen Forschung könnten dazu verleiten, Menschen aufgrund ihrer Augen- oder Haarfarbe zu bevorzugen. Dann wollten wir auch auf die Tendenz hinweisen, Menschen zu diskriminieren, die Opfer der Wirtschaftskrise und extremer Armut geworden sind. Jetzt geht es darum, wie wir unter den Staaten den politischen Willen aufbauen können, damit diese Prinzipien und Vorschläge, auf die man sich verständigt hat, in die nationale Gesetzgebung übergehen.

KNA: Dass der Vatikan - anders als die USA, Israel oder Kanada - die Konferenz nicht boykottiert hat, wurde von manchen kritisiert. Das Gleiche geschah, als Sie trotz der antiisraelischen Ausfälle von Mahmud Ahmadinedschad dabeiblieben. Was antworten Sie darauf?
Tomasi: Die Präsenz des Heiligen Stuhls wie auch anderer europäischer Länder und der Staaten aus Lateinamerika, Asien und Afrika wollte unterstreichen: Der Schlüsselpunkt der Konferenz ist der Wille, Rassismus zu bekämpfen und an die Wurzel des Problems zu gehen. Dabei ging es vor allem auch um die ethische Dimension: dass manche Menschen nicht besser oder höher einzustufen sind als andere.
Auf diesen Aspekt wollten wir den Akzent legen. Andererseits sind die Vereinten Nationen das internationale Forum der Begegnung. Da werden auch Aussagen gemacht, die im Widerspruch zu anderen Staaten stehen. Man muss sie anhören, um die Freiheit der Meinungsäußerung zu wahren - solange es keine Aufstachelung zum Hass wird.

Wie die Mehrheit der Staaten meinen auch wir, dass Aussagen, die Hass statt Dialog und Kooperation erzeugen, nicht akzeptabel sind.
Aber das grundlegende Ziel der Konferenz sollte nicht aus dem Blick
geraten: Jegliche Form von Diskriminierung und Rassismus zu bekämpfen, sei sie gegen Christen, Muslime, Juden oder irgendeine andere Gruppe.

KNA: Der Heilige Stuhl bekam eine überproportionale Aufmerksamkeit - gemessen daran, dass er nur ein Organ unter vielen war eigentlich nur eine Beobachterrolle bei den Vereinten Nationen hat. Wie erklären Sie sich das?
Tomasi: Der Heilige Stuhl hat als Mitgliedsstaat an der Konferenz teilgenommen und nicht als Beobachter. In einigen sozialen und politischen Kontexten sieht man den Vatikan präsenter als in anderen Teilen der Welt. Es ist ein Jammer, dass man durch nur einen politisierten Tag die Botschaft der Konferenz aus den Augen verloren hat. Ich würde mir wünschen, dass die Welt sich jetzt auf diese Botschaft konzentriert.

KNA: Israel war nicht eben glücklich über die ausgewogene Stellungnahme des Heiligen Stuhls zur Rede Ahmadinedschads. Wird diese Sache beim Besuch des Papstes in Israel im Mai nachwirken?
Tomasi: Ich persönlich habe am Dienstag mit befreundeten Rabbinern am Holocaust-Gedenken teilgenommen, und von den anwesenden jüdischen Gruppen in der Konferenzaula war die vatikanische Verurteilung der extremistischen Äußerungen gut aufgenommen worden. Zumindest aus unserer Wahrnehmung ist das Verhältnis sehr herzlich. Ich glaube nicht, dass das, was manche Medien berichten, der Wirklichkeit der Beziehungen entspricht. Allein die Tatsache, dass der Papst nach Israel reist, ist ein Zeichen der Zugneigung, des Dialogwillens und der Freundschaft mit dem Staat Israel und allen Juden weltweit.