US-Politiker soll mehrere Frauen sexuell belästigt haben

Doppelmoralische Auslegung

Es sind schwere Anschuldigungen an die Adresse von Roy Moore, dem republikanischen Senatskandidaten in Alabama. Er soll die damals 14 Jahre alte Leigh Corfman sexuell bedrängt haben. Von Evangelikalen wird Moore aber weiter gestützt.

Symbolbild sexuelle Belästigung / © Jens Kalaene (dpa)
Symbolbild sexuelle Belästigung / © Jens Kalaene ( dpa )

Detailliert beschreibt die heute 53 Jahre alte Frau vor laufender Kamera, wie der damals mehr als doppelt so alte Staatsanwalt versucht habe, sie zu verführen. Acht weitere Frauen erheben ebenfalls Vorwürfe gegen den betont gottesfürchtigen Politiker.

Moore lässt die Vorwürfe an sich abperlen, obwohl seine Vorliebe für sehr junge Frauen Medienberichten zufolge lange bekannt war. In seinem Heimatort Gadsen habe der 70 Jahre alte Beschuldigte aus diesem Grund die Shopping-Mall nicht mehr betreten dürfen, heißt es.

Kein Problem in Alabama

Dank der anhaltenden Unterstützung der Evangelikalen hat der Republikaner trotzdem weiter realistische Chancen, aus den Nachwahlen zum Senat in Alabama am 12. Dezember als Sieger hervorzugehen. Nicht zuletzt deshalb löst der Fall eine Diskussion über das Verhältnis von persönlichem Fehlverhalten und öffentlichem Amt aus.

Die Causa Moore rückt eine Doppelmoral ins Visier, die im bibeltreuen Alabama nicht als Problem wahrgenommen wird. Ausgerechnet hier, wo sich mit mehr als 50 Prozent der Bevölkerung mehr als doppelt so viele Menschen wie im US-Durchschnitt als evangelikal verstehen, gibt es Verständnis für den Kandidaten.

Evangelikale aus Alabama gelten als besonders konservativ. Und sie haben kein Problem damit, anders zu sein als der Durchschnitt. Im Gegenteil: Zu ihrer Kultur zähle, sich „mit ihrer evangelikalen Tradition im Widerstand gegen eine säkulare Denkweise“ zu sehen, sagt der Politologe Jason Roberts von der Universität Chapel Hill in North Carolina.

Beschuldigter scheint unangreifbar

Moore ist für die Evangelikalen so etwas wie die Speerspitze ihres Kampfes gegen „die Verderbtheit der Welt“. Ein Held, der sich an der Spitze des Verfassungsgerichts Alabamas weigerte, das Urteil eines Bundesgerichts umzusetzen, eine selbst angebrachte Tafel mit den "Zehn Geboten" wieder zu entfernen.

Dieser Status trug ihm die Nibelungentreue der Evangelikalen ein. Diese bemühten zuletzt gar bizarre Bibelvergleiche. Auch Maria, die Mutter Jesu, sei ein Teenager gewesen sei und Joseph ein deutlich älterer Tischler. Kritiker halten dagegen, im Unterschied zu Moore habe Joseph Maria beschützt und nicht gejagt.

Für viele Evangelikale diene die Politik einem dahinterliegenden Zweck, so der Historiker am Messiah College, John Fea. Das sehen auch mehr als 50 protestantische Geistliche aus Alabama so, die in einem Brief ihre Unterstützung für Moore äußerten und dabei über die privaten moralischen Fehltritte hinwegsehen, weil für sie die Durchsetzung ihres Weltbildes in Politik und Gesellschaft Priorität hat.

Genau aus diesem Grund ist etwa die Affäre rund um Ex-Präsident Bill Clinton und Monica Lewinsky für die Evangelikalen ein Beispiel für eine moralische Verfehlung - nicht aber die Belästigungsvorwürfe und mutmaßlichen Übergriffe Moores. Schließlich ist Clinton keiner von ihnen. Moore dagegen sei ein "aufrechter Mann, dem vergeben werden müsse", so der Baptisten-Pastor David Floyd.

Unterstützer übersehen Fehltritte

Selbst wenn dem nicht so wäre, hätten die Evangelikalen heute möglicherweise kein Problem mehr mit dem unmoralischen Privatleben Moores. Umfragen des Public Religion Institute zeigen einen deutlichen Einstellungswandel bei der christlichen Rechten. Keine andere Gruppe sieht in persönlichem Fehlverhalten weniger ein Hindernis für ein öffentliches Amt. 2016 erklärten 72 Prozent der Befragten, die moralische Qualität von Politikern sei kein großes Problem. Fünf Jahre zuvor waren es noch 30 Prozent.

Demoskopen mutmaßen über einen "Trump"-Effekt, der die Evangelikalen lehre, sich in Doppelmoral zu üben. Zu Wochenbeginn gab der Präsident eine weitere Kostprobe, als er Moore nach wochenlangem Schweigen demonstrativ den Rücken stärkte. Er habe doch "alles bestritten" und die Vorwürfe "vollkommen zurückgewiesen", verteidigte Trump den Kandidaten. "Wir müssen auch auf ihn hören."


Roy Moore / © Brynn Anderson (dpa)
Roy Moore / © Brynn Anderson ( dpa )
Quelle:
KNA