US-Pastor feiert Gottesdienst der besonderen Art am "Fourth of July"

Mit der Waffe in die Kirche

US-Amerikaner feiern ihren Unabhängigkeitstag am 4. Juli normalerweise mit Paraden entlang fahnengeschmückter Menschenmengen. Bei vielen gehört auch der Gang in die Kirche dazu. Mit einem ganz besonderen Angebot wartete im Vorfeld der diesjährigen Feierlichkeiten ein Pastor in Louisville im Bundesstaat Kentucky auf.

Autor/in:
Ronald Gerste
 (DR)

Roy Sagano richtete sich mit seinem Gottesdienst offenbar an wahre Patrioten. Einen unverwechselbareren, wenngleich nicht einhellig als erfreulich angesehenen Bestandteil der US-Kultur wollte der Gottesmann zwar nicht heiligsprechen, wohl aber mit Choralgesängen und Bibelzitaten ehren: die Waffe.

Dem Ruf folgten am vergangenen Samstag schießsportbegeisterte Landsleute aus der ganzen Region. Sie brachten ihre metallenen Lieblinge, ob Revolver, Pistole, Jagdflinte oder gar ein originales Winchester-Repetiergewehr mit zur Andacht in die New Bethel Church. Selbst halbautomatische Maschinengewehre waren dabei, wie sie zum Ärger der Polizeibehörden und zur Trauer der Opfer von Bandenkriegen in vielen "Gangs" amerikanischer Innenstädte in tödlichem Gebrauch sind.  

Biografie mit Nähe zu Schusswaffen
Auch die Biografie Saganos weist eine gewisse Nähe zu Schusswaffen auf. Bevor er sein geistliches Amt antrat, war er Mitglied der US-Marineinfanterie. Seiner Ansicht nach leben wahre Patrioten momentan in gefährlichen Zeiten. Kurz nach der Verabschiedung der amerikanischen Verfassung anno 1787 wurde dieser ein zweiter Zusatz angefügt, wonach es ein Grundrecht des Amerikaners sei, Waffen zu tragen. Dabei hatten die Gründerväter in einer Epoche, in der viele Bürger ihre Speisekammer mit den Erträgen der Jagd auffüllten, vornehmlich einläufige Flinten im Sinn, die übrigens eng mit Saganos Heimatstaat Kentucky assoziiert sind.

Jenes Grundrecht, das Waffenfreunde heute auch für AK-47-Gewehre und andere Schnellfeuerwaffen für sich in Anspruch nehmen, sieht Sagano nun bedroht. Die Freiheit, Waffen zu tragen, werde von einem Mann beschnitten: Barack Obama - für die Waffenlobby der USA längst zum Feindbild geworden. Bislang hat der neue Präsident zwar nichts Konkretes unternommen, und Kenner erwarten von seiner Amtszeit allenfalls eine Einschränkung des Zugangs zu automatischen Waffen.  Und doch hat die Sorge vor Einschränkung dieses amerikanischen "Grundrechtes" vielerorts zu Hamsterkäufen und zu enormen Umsatzsteigerungen bei Waffenhändlern geführt.

Checkliste für das Kirchenpicknick: Kartoffelsalat, Hotdog, Revolver
Nichts anderes als diese Furcht hat Pfarrer Sagano mit seinem Gottesdienst bedient - wobei das Medieninteresse in den USA selbst eher überschaubar blieb. So titelte etwa eine Zeitung aus Ohio: "Checkliste für das Kirchenpicknick: Kartoffelsalat, Hotdog, Revolver".

Zugleich musste der Prediger den unerfreulichen Zeitumständen - sprich: mehreren Schießereien in Gotteshäusern mit zahlreichen Toten - notgedrungen Tribut zollen: Die Gläubigen mussten ihre Waffen in sicheren Holstern tragen; und geladen durften die kleinen Trostspender auch nicht sein. Ob Saganos Beispiel Schule macht und man sich künftig an ein Bündnis von Colt und Kelch gewöhnen muss? In Amerika ist Vieles möglich; alles nicht.