Nixon-Tonband belastet US-Prediger Graham

Amerikas Evangelikale und der Antisemitismus

Billy Graham, der wohl einflussreichste US-Fernsehprediger, steht mit 90 Jahren erneut in der Kritik. Eine jüngst veröffentlichte Tonbandaufnahme eines Telefonats des früheren US-Präsidenten Richard Nixon mit dem Baptistenprediger wirft ein Schlaglicht auf die Haltung US-amerikanischer Evangelikaler zum Judentum und auf Graham selber.

Autor/in:
Konrad Ege
 (DR)

In dem Telefonat am 21. Februar 1973 warnten Nixon und Graham, den Juden in den USA drohe "eine schlimme Welle des Antisemitismus", wenn sie sich "nicht benehmen" lernten. Und zwar schnell, sagte Graham.

Schnell kam Ende Juni auch die Kritik an Graham. Das Gespräch zeige, dass Graham, ein "bemerkenswerter, aber fehlerhafter" Mann sei, so mit "Antisemitismus infiziert", dass er diesen nicht bei sich selber habe erkennen können, sagte Abraham Foxman, Direktor des jüdischen Bürgerverbandes B'nai B'rith.

In dem Telefonat beklagte Nixon den eben erfolgten israelischen Abschuss eines libyschen Passagierflugzeugs, der die Öffentlichkeit gegen Israel aufbringe. Graham beschwerte sich über angeblich unverdiente jüdische Angriffe auf "die Kirche" wegen einer breit angelegten Evangelisierungskampagne in den USA, und über Medienberichte, Israel wolle alle Christen ausweisen. Der Prediger sprach auch über die "Synagoge des Satans", die schon in der Bibel erwähnt werde. Es gebe nämlich "zwei Typen der Juden", und der aus der "Synagoge des Satans" produziere "pornografische Schriften" und "obszöne Filme".

Nixon verfolgte eine israelfreundliche Außenpolitik
Graham war mit dem 1994 gestorbenen Nixon in politischer und persönlicher Freundschaft verbunden. Nixon ließ viele seiner Gespräche ohne Wissen seiner Gesprächspartner aufzeichnen. Nach und nach werden diese Tonbandaufzeichnungen nun vom US-Nationalarchiv freigegeben.

Nixon verfolgte eine israelfreundliche Außenpolitik, ließ sich aber, wie man in Tonbandaufzeichnungen hört, häufig zu wüsten Beschimpfungen "der Juden" hinreißen. Die meisten seien "disloyal", sagte Nixon 1971. Man könne "den Schweinehunden" ("bastards") nicht trauen.

Bereits 2002 war Graham wegen eines damals bekanntgewordenen Gesprächs mit Nixon über "die Juden" in die Kritik geraten. Darin hatte Graham 1972 vor dem "Würgegriff" der Juden über die Medien gesprochen. Graham sagte 2002, er könne sich nicht an das Gespräch erinnern, entschuldigte sich aber für seine Worte.

William Martin von der Rice Universität (Houston), der eine Biografie Grahams ("A Prophet with Honor") verfasst hat, will dessen Kommentare im Kontext sehen. Er habe bei Graham sonst keine antisemitischen Aussagen gefunden. Das sei bemerkenswert, hätten doch andere evangelikale Prediger und die US-Öffentlichkeit zur Zeit von Grahams Kommentaren antisemitische Stereotypen eher akzeptiert als heute.

"Im Grunde bewundernswerter Karriere"
Für ihn sei Grahams Verbindung zu Nixon allerdings die "besorgniserregendste" Episode in dessen "im Grunde bewundernswerter Karriere" gewesen, sagte Martin. Der Kirchenhistoriker Darryl Glenn Hart vom Westminster Seminary in Escondido (US-Staat Kalifornien) sagte dem epd, trotz existierender "Vorurteile" gegen Juden hätten die Evangelikalen schon damals eine "Liebesaffäre mit Israel" gehabt und sich für den Staat eingesetzt.

Grahams Pressesprecher Larry Ross sagte dem epd, Grahams Alter und sein Gesundheitszustand machten eine Stellungnahme zu dem neuen Tonband unmöglich. Graham habe aber seine "Liebe zum jüdischen Volk" unter Beweis gestellt. Tatsächlich hat Graham für sein Engagement zahlreiche Würdigungen erhalten. So verlieh ihm das American Jewish Committee 1971, zwei Jahre vor dem Telefonat mit Nixon, eine Auszeichnung für seine Bemühungen um das gegenseitige Verstehen von Christen und Juden.