Union progressiver Juden hat neuen Vorstand gewählt

Aufarbeitung mit neuem Kontrollsystem

Die Union progressiver Juden in Deutschland hat einen neuen Vorstand. Der Rabbiner Walter Homolka, gegen den Vorwürfe des Machtmissbrauchs aufgekommen waren, hatte nicht mehr kandidiert. Neue Vorsitzende ist Irith Michelsohn.

Autor/in:
Leticia Witte
Eine Frau mit Kippa / © Harald Oppitz (KNA)
Eine Frau mit Kippa / © Harald Oppitz ( KNA )

Zur neuen Vorsitzenden wurde am Sonntag in Berlin Irith Michelsohn (Bielefeld) gewählt, wie die Union progressiver Juden in Deutschland (UpJ) mitteilte. Die UpJ ist ein Zusammenschluss von 27 liberalen Gemeinden, 4 Institutionen in Deutschland mit rund 5.500 Mitgliedern.

Michelsohns Stellvertreterin ist jetzt die bisherige Schatzmeisterin Alexandra Khariakova (Unna), die auch Vorsitzende des Landesverbandes progressiver jüdischer Gemeinden in NRW ist. Schatzmeister wurde Michael Heimann (Hamburg). Ebenfalls im neuen Vorstand sind Daniel Schaban (Köln) und Mircea Ionescu (Bremerhaven).

Kontroverse Diskussionen

"Wir müssen jetzt überlegen, wie es sinnvoll weitergeht und schauen, wie wir alle Gemeinden ins Boot holen", sagte Michelsohn nach ihrer Wahl der Katholischen Nachrichten-Agenturt (KNA). Innerhalb der UpJ gibt es eine Kontroverse im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen Homolka. Dieser sei in der nicht öffentlichen Versammlung anwesend gewesen, und es habe ein Aussprache gegeben, sagte Michelsohn. Es sei auch kontrovers diskutiert worden.

Walter Homolka / © Wolfgang Kumm (dpa)
Walter Homolka / © Wolfgang Kumm ( dpa )

Machtmissbrauch sei nicht zu tolerieren, so die neue Vorsitzende. Wo er jedoch beginne, sei nicht klar definiert. "Ich freue mich über den Zuspruch und die Stimmen, die ich erhalten habe, sehe mein Amt aber als Aufgabe, die Union wieder in ein sicheres Fahrwasser zu führen", betonte Michelsohn. Nun würden Compliance-Regeln erarbeitet. Solche Standards regeln in Unternehmen und Organisationen angemessenes Verhalten. Auch seien Satzungsänderungen bei der UpJ denkbar.

Untersuchungsbericht bestätigte Vorwürfe teilweise

Homolka wehrt sich weiter gegen alle Vorwürfe. Sie waren im Zusammenhang mit dem Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam aufgekommen, an dem liberale Rabbinerinnen und Rabbiner ausgebildet werden. Er will juristisch gegen einen im Oktober vorgelegten Untersuchungsbericht der Universität Potsdam vorgehen, der die Vorwürfe gegen ihn in Teilen bestätigt hatte. Diese bezogen sich auf "Vorwürfe des Machtmissbrauchs". Nicht bestätigt wurden dagegen "Vorwürfe der Duldung sexuell belästigenden Verhaltens seitens seines Lebenspartners".

Am Mittwoch hatte eine Kanzlei erste Ergebnisse eines Gutachtens vorgelegt, das vom Zentralrat der Juden beauftragt worden war. Demnach liegen gegen Homolka 23 Verdachtsfälle von Fehlverhalten vor, teilweise bis hin zum "Anfangsverdacht einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit".

Kanzlei empfiehlt Kontrollsystem

Die Kanzlei sieht 11 Mal möglichen Machtmissbrauch und 3 Mal mutmaßliche "Diskriminierung unterhalb der Schwelle des Strafrechts" und geht von einem persönlichen Fehlverhalten Homolkas als "Führungsperson bzw. Person mit großem Einfluss" aus.

Die Kanzlei empfiehlt für die für das Gutachten untersuchten Institutionen, zu denen auch die UpJ gehörte, unter anderem die Einrichtung von Kontrollsystemen und Standards, die in Unternehmen angemessenes Verhalten regeln.

Anwälte sprechen von Vorverurteilung

Zentralratspräsident Josef Schuster hält Homolkas Verbleib in seinen bisherigen Ämtern für nicht mehr denkbar. Homolkas Anwälte sprechen dagegen von einer Vorverurteilung "ohne jede Substanz" sowie von einem politisch motivierten Vorgehen.

Ein Anfangsverdacht bestehe nur bei "zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für das Vorliegen einer verfolgbaren Straftat". Daran fehle es. Homolka hatte bereits angekündigt, sich von der Spitze des Geiger-Kollegs zurückzuziehen.

Quelle:
KNA