UNICEF Deutschland müsse derzeit durch "ein ganz tiefes Tal der Tränen gehen", hatte der Übergangsvorsitzende Reinhard eingeräumt. Dem Kinderhilfswerk war im Februar nach monatelangen internen Querelen das DZI-Spendensiegel entzogen worden, das eine korrekte Verwendung der Spenden bescheinigt. Unter anderem hatte UNICEF den Einsatz von provisionsabhängigen Spendenwerbern verschwiegen. Schon zuvor hatten die Vorsitzende der Hilfsorganisation, Heide Simonis, und Geschäftsführer Dietrich Garlichs ihre Ämter zur Verfügung gestellt.
Im November ist die Organisation wegen undurchsichtiger Beraterverträge und Verschwendungsvorwürfen ins Gerede gekommen. Seitdem hat UNICEF rund 37 000 seiner ehemals 200 000 Fördermitglieder verloren. Bei einem Rückgang der Spendeneinnahmen um 20 Prozent beläuft sich der finanzielle Schaden auf sieben Millionen Euro.
Platz für Neuanfang
Für Donnerstag hat der Vorstand des Kinderhilfswerks geschlossen seinen Rücktritt angekündigt. "Ein neu gewählter Vorstand soll das Signal für den Neuanfang setzen", sagte Schlagintweit in Köln. Mit dem geschlossenen Rückzug gibt die Spitze der Hilfsorganisation offenbar dem starken Druck der Basis nach. Allerdings ist auch nicht ausgeschlossen, dass sich Vorstandsmitglieder nach dem Rücktritt erneut zur Wahl stellen.
Die Mitgliederversammlung ist das oberste Organ des Deutschen Komitees für UNICEF. Sie setzt sich aus bis zu 60 gewählten Persönlichkeiten aus allen Gesellschaftsbereichen zusammen, darunter sind auch Prominente wie die TV-Moderatorinnen Christiansen und Nina Ruge sowie Politiker wie Henning Scherf (SPD) oder Antje Vollmer (Grüne). Die Versammlung soll einen neuen Vorstand bestimmen, der dann laut Satzung aus seinen Reihen den neuen Vorsitzenden wählt.
Unter diesen Vorzeichen sind die Chancen für eher exotische UNICEF-Repräsentanten wie Thomas Anders wohl gering. Wer tatsächlich als Kandidat in Frage kommt, war bislang nicht zu erfahren. Allerdings sollen mehrere Wunschkandidaten bereits abgesagt haben, darunter auch Ex-Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU). Auch der frühere Post-Chef Klaus Zumwinkel war offenbar als Vorsitzender im Gespräch, ehe dann seine Steuer-Affäre publik wurde.
Vertrauen gewinnen
Am Wochenende wurde zudem gemeldet, der Gründer und langjährige Chef der Werbeagentur Scholz & Friends, Thomas Heilmann, solle UNICEF-Chef werde. Den "Focus"-Bericht dementierte Heilmann aber. Er wolle UNICEF zwar helfen, werde auf der Mitgliederversammlung jedoch lediglich für den Vorstand kandidieren, "nicht aber als Vorstandsvorsitzender", erklärte er.
Immer wieder genannt wird auch der Name der Grünen-Politikerin Anne Lütkes. Die Rechtsanwältin und ehemalige Kölner Bürgermeisterin sei eng mit dem kommissarischen Vorsitzenden Schlagintweit befreundet, hieß es. Lütkes war von 2000 bis 2005 in Schleswig-Holstein Justizministerin unter SPD-Ministerpräsidentin Simonis, die ihr Amt als UNICEF-Vorsitzende wegen der Affäre aufgegeben hatte.
Schlagintweit hofft, dass die Organisation unter der neuen Führung schnell zur Ruhe kommt: "Es gilt jetzt, das Vertrauen der Spender zurückzugewinnen und die weltweite Arbeit von UNICEF für Kinder wieder in den Blickpunkt zu rücken."
Markus Peters
Unicef will neuen Anfang mit neuem Vorstand
Tal der Tränen
Rita Süssmuth, Norbert Blüm, Sabine Christiansen oder sogar Ex-Modern-Talking-Sänger Thomas Anders - derzeit mangelt es nicht an Namen, die mehr oder weniger ernsthaft als neue Vorsitzende des krisengeschüttelten Kinderhilfswerks UNICEF Deutschland gehandelt werden. Am Donnerstag kommen die UNICEF-Mitglieder in Berlin zu einer außerordentlichen Versammlung zusammen. Auf dem Programm steht eine Aussprache über die dramatische Spendenaffäre der vergangenen Monate, dann soll die deutsche Abteilung des UNO-Hilfswerks eine neue Führung bekommen.
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