Unesco entscheidet über immaterielle Kulturgüter

Zwischen Tango und Grünkohlfahrten

Was dem Münchner das Oktoberfest, ist dem Rheinländer der Karneval: unabdingbares Kulturgut. Doch auf der Liste des immateriellen Kulturerbes der Unesco finden sich weder Wiesn noch Weiberfastnacht. Was auf den ersten Blick wie ein Problem kultureller Weltverschwörung erscheinen mag, ist tatsächlich hausgemacht.

Autor/in:
Caroline Schulke
 (DR)

Deutschland hat das entsprechende Abkommen der Weltkulturorganisation Unesco bislang nicht ratifiziert und auch keine Vorschläge an das zuständige Komitee geschickt, das noch bis diesen Freitag in Abu Dhabi tagt und über neue immaterielle Kulturgüter befunden hat.

Stattdessen erwarben nun andere den Titel: Aus 111 Vorschlägen aus
35 Ländern machten 76 kulturelle Ausdruckformen aus 27 Staaten das Rennen. Neu aufgenommen wurden etwa der südamerikanische Tango, die tibetische Oper und die Heilig-Blut-Prozession von Brügge. Zum immateriellen Kulturerbe zählen laut Unesco "Praktiken, Darbietungen, Ausdrucksformen, Kenntnisse und Fähigkeiten - sowie die damit verbundenen Instrumente, Objekte, Artefakte und Kulturräume -, die Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Individuen als Bestandteil ihres Kulturerbes ansehen."

Vielfalt der lebendigen kulturellen Ausdrucksformen erhalten
Ziel der Unesco ist, die "Vielfalt der lebendigen kulturellen Ausdrucksformen wie Tanz und Theater, Musik, mündliche Literaturformen, Sprachen, Bräuche, Feste, Handwerkstechniken und Wissensformen als Teil des Kulturerbes der Menschheit" zu erhalten. Das jedenfalls verrät ein Blick auf die Homepage der Deutschen Unesco-Kommission.

Dieses Anliegen ist noch relativ jung. 2003 verabschiedete die Unesco-Generalkonferenz das Übereinkommen zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes. Nachdem 30 Staaten es ratifizierten, trat es 2006 in Kraft. 2008 rief die Unesco die "Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes" ins Leben - und bestückte sie mit 90 "Meisterwerken" aus allen Weltregionen. Nun wurde in Abu Dhabi erstmals über neue Einträge entschieden. Erstmals entstand dort auch eine "Rote Liste". Diese "Liste des immateriellen Kulturerbes, das eines dringendes Schutzes bedarf", umfasst zwölf kulturelle Ausdrucksformen aus acht Ländern; unter anderem den Kulturraum der katholischen Minderheit der Suiti in Lettland.

Fragen klären
In Deutschland müssten noch inhaltliche und organisatorische Fragen etwa der Zuständigkeit geklärt werden, erläutert Unesco-Pressesprecher Dieter Offenhäußer die bislang fehlende deutsche Unterschrift unter das Unesco-Übereinkommen zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes. Dabei gehe es etwa um die Frage, welche Stellen aus Bund und Ländern sowie welche Vereine und Experten man einbeziehe, um Vorschläge für die Liste zu formulieren. Das sei wegen des Föderalismus in Deutschland schwerer als in anderen Ländern. Der Bundestag beobachte den Prozess aber konstruktiv, so Offenhäußer. Es sei also langfristig damit zu rechnen, dass Deutschland unterschreibe.

Auch ohne deutsche Beteiligung umfasst die Liste schon jetzt so unterschiedliche Kulturformen wie Tanz, Theater, Musik, mündliche Überlieferungen, Sprachen, Bräuche, Feste oder Handwerkstechniken.
Sie ergänzt damit die Liste des Weltkultur- und Naturerbes - ist allerdings (noch) weniger bekannt. Während die große Mauer in China oder die Galapagos-Inseln vor Ecuador, die Oper von Sydney oder die Akropolis von Athen zumindest einen Wiedererkennungseffekt hervorrufen, führen einige der immateriellen Kulturgüter eher zu Erstaunen: Iso-polyphone Volksmusik aus Albanien, die costaricanische Tradition des Bemalens und Dekorierens von Ochsenkarren oder die Sandzeichnungen von Vanuatu Schulterzucken.

Ob umgekehrt die möglichen geistigen Güter Deutschlands aus mexikanischer, südafrikanischer oder indischer Perspektive auf mehr Verständnis stoßen würden? Als Beispiele für denkbare immaterielle Kulturgüter nennt die Deutsche Kommission der Unesco in einem von europäischen Fachleuten verfassten Papier auf ihrer Internetseite unter anderem norddeutsche Grünkohl- und Pinkel-Fahrten oder das