Irina Bokowa wird neue UNESCO-Generaldirektorin

Karrierediplomatin aus Bulgarien

Zum Schluss ging es nur noch um die Entscheidung zwischen ihr und ihm. Bei der Wahl zum neuen Generaldirektor der Weltkulturorganisation UNESCO traten am Dienstagabend in Paris der wegen angeblicher antisemitischer Äußerungen umstrittene ägyptische Kulturminister Faruk Hosni und die Bulgarin Irina Bokowa an. Im fünften Wahlgang setzte sich die frühere bulgarische Außenministerin schließlich durch.

Autor/in:
Christoph Lennert
 (DR)

Mit 31 zu 27 Stimmen lag sie am Ende vorne, noch im vierten Wahlgang hatten beide Kandidaten je 29 der 58 Mitglieder des UNESCO-Exekutivrates hinter sich gebracht.

Die 57-jährige Bulgarin ist bei der UNESCO keine Unbekannte. Seit mehr als vier Jahren vertritt sie ihr Land in der Weltkulturorganisation. Gleichzeitig ist sie auch Botschafterin in Frankreich. Als sie diese Ämter 2005 antrat, lag bereits eine zielsichere diplomatische Karriere hinter ihr. Begonnen hatte sie noch in der Zeit des Kommunismus.

Bokowa ist die Tochter eines bulgarischen Journalisten, der wenige Jahre nach ihrer Geburt zum Chefredakteur der kommunistischen Parteizeitung aufstieg und Mitglied des Zentralkomitees der Partei wurde. Sie besuchte ein Elitegymnasium, dessen vorrangige Unterrichtssprache Englisch war. Später studierte sie am Institut für Internationale Beziehungen in Moskau, dessen Diplom sie 1976 erhielt. Ihre Diplomatenlaufbahn begann sie für das bulgarische Außenministerium zunächst bei der UNO in New York. Danach wurde sie in den Beraterkreis des Außenministers berufen.

Als in Berlin die Mauer fällt, ist Bokowa 37 Jahre alt. Sie beginnt eine Karriere als Politikerin. Sie ist jung und gilt als unverbraucht - die kommunistische Partei benennt sie und ihren Bruder für die Gespräche am "Runden Tisch" mit der Opposition. Sie beteiligt sich an der Ausarbeitung der neuen bulgarischen Verfassung, wird bei den ersten freien Wahlen Abgeordnete für die Sozialistische Partei, Staatssekretärin und ist sieben Monate, von Februar bis September 1997, sogar bulgarische Außenministerin. Danach kehrt sie als Abgeordnete ins Parlament zurück, bevor sie zur Botschafterin in Frankreich ernannt wird.

Intelligent, dynamisch und ehrgeizig
Beobachter beschreiben die Mutter von zwei Kindern als intelligent, dynamisch und ehrgeizig. Außer ihrer Muttersprache beherrscht sie Russisch und Englisch, aber auch Französisch und Spanisch. Für das Amt an der UNESCO-Spitze präsentierte sich Bokowa mit einem Programm, das sich in die Linie des scheidenden Amtsinhabers Koichiro Matsuura einfügt. Dem Japaner wird es als Verdienst angerechnet, die Weltorganisation verschlankt und transparenter gemacht zu haben, besonders beim Umgang mit den stets knappen Finanzen.

Bokowa verspricht ebenfalls Transparenz, Rechenschaft und ergebnisorientiertes Handeln. Was sie der UNESCO verordnen will, klingt nach straffer Unternehmensführung. Die Mobilität des Personals soll vergrößert werden, das Spitzenmanagement optimiert, die Präsenz der UNESCO vor Ort gestärkt werden. Die UNESCO, so glaubt Bokowa, müsse sich auf eine geringere Zahl von Prioritäten konzentrieren - die Felder, in denen die Kompetenz der Weltorganisation besonders groß sei.

"Die Welt braucht einen neuen Humanismus"
Für die bulgarische Diplomatin sind die Einschnitte, die ihr offenbar vorschweben, kein Selbstzweck. Die Welt brauche einen neuen Humanismus, erklärt sie. Als UNESCO-Direktorin wolle sie bei den Regierungen beständig dafür werben, mehr Geld für Bildung zur Verfügung zu stellen. In der Wissenschaft könne die UNESCO einen Beitrag leisten, Wissenschaft, Forschung und Erziehung stärker miteinander zu verknüpfen. Dafür will sie ein spezielles Beraterkomitee aus Nobelpreisträgern und anderen renommierten Forschern zusammenstellen.

Für die UNESCO-Kulturpolitik schlägt sie vor, stärker als bislang die Verbindung zwischen Kultur und Entwicklungspolitik in den Vordergrund zu stellen. Und schließlich fordert sie von der Weltkulturorganisation, sich stärker um ethische und rechtliche Probleme der Informationsgesellschaft zu kümmern. Die Werte der UNESCO - Frieden, Toleranz und Humanität - seien wichtiger denn je, schreibt Bokowa.