Überfallener Rabbiner in Graz warnt vor Antisemitismus

"Nicht nur vom rechten Antisemitismus geht Gefahr aus"

Der am Wochenende in Graz angegriffene Rabbiner Elie Rosen warnt davor, sich beim Kampf gegen Antisemitismus zu sehr auf die rechtsextreme Szene zu konzentrieren. Er beobachte wachsenden israelbezogenen und muslimischen Antisemitismus.

Männer mit Kippa / © Markus Nowak (KNA)
Männer mit Kippa / © Markus Nowak ( KNA )

"Ich kann aus meinem Alltag sagen: Der Antisemitismus, mit dem wir am meisten konfrontiert sind, ist israelbezogener und an zweiter Stelle muslimischer Antisemitismus", sagte er im Interview der "Welt" (Mittwoch).

In Graz seien diese Formen der Judenfeindlichkeit besonders relevant, betonte der Präsident der dortigen jüdischen Gemeinde: "Die Stadt ist für ihre radikale Islamisten- und Dschihadistenszene bekannt; es gibt da einen gewissen Nährboden." Von der Politik erwarte er, dass "die Resolutionen gegen die BDS-Bewegung, die Israel boykottieren will, auch umgesetzt werden".

"Nicht nur vom rechten Antisemitismus geht Gefahr aus"

Er hoffe, der Angriff auf die Grazer Gemeinde sei allen eine Lehre, die gezeigt habe, "wohin der israelbezogene und muslimische Antisemitismus führen kann. Nicht nur vom rechten Antisemitismus geht eine Gefahr aus."

Rosen war am Samstagabend vor dem jüdischen Gemeindehaus in Graz von einem Unbekannten mit einem Holzknüppel bedroht worden, blieb jedoch unverletzt, da er in einem Auto saß. Der Angreifer glich nach Aussage Rosens jener Person, die im Zuge zweier Angriffe auf die Grazer Synagoge am Mittwoch und Freitag vergangener Woche auf Überwachungskameras zu erkennen gewesen war. Dabei waren die Außenmauer mit pro-palästinensischen Parolen beschmiert und ein Fenster des Gemeindehauses beschädigt worden.

Sorge wegen Tat-Nachahmern

Die Polizei nahm einen 31-jährigen Syrer fest und geht von einem islamistischen Motiv aus. Innenminister Karl Nehammer bezeichnete den Mann als "radikal islamisierten Antisemiten, der darüber hinaus auch homophob ist". Dem Verdächtigen werden auch Vandalenakte gegen eine Einrichtung eines schwul-lesbischen Vereins in Graz sowie eine Kirche zugeordnet.

Rosen ergänzte, man sei weiter besorgt, dass die Taten Nachahmer finden könnten. Wichtig sei, die jüdischen Gemeinden zu schützen und zu sichern. Darüber hinaus müsse man vor allem bei Erziehung und Bildung mehr tun gegen Judenhass: "Wir müssen bei den Kindern ansetzen. Wir müssen versuchen, Antisemitismus einzudämmen. Das ist etwas, was wir in Schritten erreichen können. Alles, was darüber hinausgeht, halte ich für eine Illusion."

Antisemitismus

Antisemitismus nennt man die offen propagierte Abneigung und Feindschaft gegenüber Juden als Volksgruppe oder als Religionsgemeinschaft. Der Begriff wird seit dem 19. Jahrhundert gebraucht, oft als Synonym für eine allgemeine Judenfeindlichkeit. Im Mittelalter wurden Juden für den Kreuzestod Jesu verantwortlich gemacht und als "Gottesmörder" beschuldigt. Während der Kreuzzüge entlud sich die Feindschaft in mörderischen Ausschreitungen, Vertreibungen und Zwangsbekehrungen.

Teilnehmende einer Demonstration zur Solidarität mit Israel / © Michael Kappeler (dpa)
Teilnehmende einer Demonstration zur Solidarität mit Israel / © Michael Kappeler ( dpa )
Quelle:
KNA