Misereor warnt vor Lithium-Abbau für Elektroautos

"Über andere Modelle der Mobilität nachdenken"

Elektroautos gelten als Möglichkeit, negative Umweltfolgen zu mindern. Notwendige Rohstoffe dafür sind jedoch knapp. Mit Blick auf den größten Lithium-Abbau in Bolivien sieht das Hilfswerk Misereor den reinen Rohstoffexport nach Europa kritisch.

Ein Elektroauto (dpa)
Ein Elektroauto / ( dpa )

DOMRADIO.DE: Der Raubbau an der Natur und das Herausfiltern dieser seltenen Erden ist ein großer Eingriff in die Natur sowie auch in die Lebenswelt der Menschen vor Ort. Was sind da die größten Konsequenzen?

Markus Zander (Länderreferent des katholisches Werk für Entwicklungszusammenarbeit in Bolivien): Wir wissen aus Chile und Argentinien, wo schon seit längerer Zeit Lithium-Abbau stattfindet, dass die Konsequenzen zum Teil sehr heftig sind, gerade was den Wasserhaushalt betrifft. In Bolivien allerdings gibt es bisher noch keinen wirklichen Abbau im größeren Maße, sondern es gibt vor allem Vorhaben und Versprechungen der bolivianischen Regierung.

Viele der Menschen, die dort leben, wo dieser Abbau stattfinden soll, freuen sich erst einmal darüber, was ihnen da so versprochen wird. Unter anderem sind das höhere Einnahmen für ihre Municipien (Anm. d. Red.: Verwaltungsbereiche der Städte), womit sie in Bildung oder anderes investieren könnten. Und auch Arbeitsplätze werden erhofft. Aber sie wissen eigentlich nichts von den negativen Auswirkungen, die jetzt schon in Argentinien oder Chile zu sehen sind.

DOMRADIO.DE: Gibt es denn Ideen oder Projekte, wo auch Misereor beteiligt ist, die sich für eine Aufklärung der Menschen stark machen?

Zander: Ja, wir arbeiten mit einer Partnerorganisationen in Bolivien zusammen, die im Augenblick zunächst mal vor allem versucht herauszufinden, erstens, was die genauen Bedingungen des Vertrages zwischen der staatlichen bolivianischen Lithium-Fördergesellschaft Yacimientos de Litio Bolivianos (YLB) und der deutschen Unternehmen ACI Systems sind.

Sie haben ein Konsortium gebildet, um in Zukunft Lithium abzubauen und zu industrialisieren und um einfach zu wissen, was da eigentlich genau passieren soll. Sie sind auch sehr interessiert daran, an die dafür notwendigen Studien über die Umwelt und Sozialfolgen heran zu kommen. Denn sie wollen die Ergebnisse dieser Studien wiederum an die lokale Bevölkerung weitergeben, damit die darüber informiert ist, was tatsächlich passieren soll und mit welchen möglichen Konsequenzen.

DOMRADIO.DE: Es gibt Untersuchungen, unter anderem von Brot für die Welt, die sich mit den Folgen dieses Lithium-Abbaus befassen. Sie haben es kurz erwähnt, dass in den Nachbarländern auch die Folgen schon klar werden. Was sind da die wichtigen Erkenntnisse?

Zander: Die wichtigen Erkenntnisse aus den Studien in Chile und Argentinien sind jetzt vor allem erst mal, dass dieser Lithium-Abbau eben ungeheure Mengen an Wasser verschlingt. Für eine einzige Batterie werden ungefähr 80.000 Liter Wasser benötigt – für die Produktion des Lithium und für eine Batterie. Das ist eine ungeheure Menge in einem Gebiet, was per se schon mal einen sehr geringen Niederschlag erfährt. Die meisten Menschen, die dort leben, sind Landwirte. Von daher sind sie natürlich ganz stark auf Wasser angewiesen.

Das ist einer unserer großen Sorgen, dass der Wasserhaushalt an diesem Salzsee empfindlich gestört werden könnte. Davon abgesehen hat dieser Salzsee auch ein sehr empfindliches Ökosystem, was ebenso durch eine starke Entnahme von Wasser gestört werden könnte. Es ist bisher auch nicht ganz klar, was mit dem Albtraum aus diesem Lithium-Abbau geschieht und wie dieser möglicherweise das Ökosystem in Zukunft beeinflussen könnte.

DOMRADIO.DE: In Bolivien gibt es noch keinen riesengroßen Abbau, aber in den Nachbarregionen regt sich tatsächlich auch schon Widerstand und Protest. In den argentinischen Anden versuchen sich die Landwirte gegen Bagger und Wasserpumpen zu wehren. Warum ist die Ausgangssituation so schwierig?

Zander: Ich denke das Anfangsproblem war wahrscheinlich, dass die Landwirte, bevor es losging, nicht wussten, was da genau auf sie zukommt. Mittlerweile sind aber die Lizenzen vergeben und die Firmen dabei Lithium abzubauen. Das ist ein sehr gutes Geschäft für diese Firmen. Wenn es dann erst mal soweit gekommen ist, ist das natürlich sehr schwer das Ganze rückgängig zu machen und dagegen vorzugehen. Der Staat vergibt die Lizenzen für für den Lithium-Abbau und sie sind natürlich auch mit Verträgen verbunden, an die sich die jeweiligen Staaten halten müssen. Das einfach nachträglich rückgängig zu machen, ist dann außerordentlich kompliziert.

DOMRADIO.DE: Bisher sind Länder, wie beispielsweise auch Bolivien in Bezug auf das Lithium schlicht und ergreifend Rohstofflieferanten. Gäbe es – außer es in der Erde zu lassen – bessere Möglichkeiten?

Zander: Unsere Partnerorganisationen in Bolivien sind nicht per se dagegen, dass man jetzt überhaupt dieses Lithium nutzt. Sie wollen zum einen, dass dabei notwendige Umwelt- und Sozialauflagen eingehalten werden und die Umwelt nicht nachhaltig gestört wird. Sie wollen zum anderen aber auch gerne, wenn dieser Abbau stattfindet, das Bolivien wesentlich an der Wertschöpfungskette teilhaben kann.

Das heißt, dass eben nicht nur Lithium oder Lithium-Derivate aus Bolivien nach Europa zum Beispiel exportiert werden, sondern in Bolivien auch eine eigene Batterieproduktion aufgebaut werden kann. Dann würde nämlich das Fertigprodukt exportiert und damit könnten eventuell wirklich auch Arbeitsplätze geschaffen werden. Das wäre eine nachhaltige Entwicklung für Bolivien. Dafür setzen wir uns auch ein.

DOMRADIO.DE: Ist das eine Entwicklung, die für uns hier herrlich schadstoffarm und großartig erscheint und letzten Endes dafür Menschen in ärmeren Ländern bluten?

Zander: Ich denke, es kommt schon darauf an, wie man es grundsätzlich anfängt. Ich denke einerseits, einfach nur den Rohstoff – zum Beispiel eben Lithiumhydroxid – nach Deutschland zu exportieren, kann nicht der Weg sein. Andererseits gibt es natürlich auch die grundsätzliche Frage: ist ein einfacher Umstieg von einer Mobilität, die sich auf fossile Rohstoffe stützt, auf eine Mobilität, die elektrogestützt ist, der richtige Weg? Die braucht auch wieder Rohstoffe aus anderen Ländern.

Vielleicht müsste man ganz grundsätzlich darüber nachdenken, welche Art der Mobilität eigentlich zukunftsfähig und nachhaltig ist. Da denken wir eben auch, dass über andere Modelle der Mobilität nachgedacht werden muss, als über einen schlichten Ersatz von Benzin oder Diesel gestützten Autos durch Elektroautos. 

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Blick auf die rohstoffreichen Abbauberge im Salzsee von Uyuni, Bolivien / © Georg Ismar (dpa)
Blick auf die rohstoffreichen Abbauberge im Salzsee von Uyuni, Bolivien / © Georg Ismar ( dpa )
Quelle:
DR