Türkische Gemeinde fordert Debatte über Rassismus in Deutschland

"Der Begriff Döner-Morde macht wütend"

Acht türkischstämmige Männer sind wohl der nun aufgeflogenen rechtsextremen Terrorzelle zum Opfer gefallen. Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, vermisst eine gesellschaftliche Debatte über den Rassismus in Deutschland. Den verharmlosenden Begriff "Döner-Morde" kritisiert er auf schärfste.

 (DR)

Er sei schockiert über die rechtsterroristische Mordserie an türkischstämmigen Deutschen, sagte Kolat der "Frankfurter Rundschau" (Dienstagsausgabe). "Der Begriff Döner-Morde macht mich wütend", sagte Kolat. Er könne nicht begreifen, wie man ihn gedankenlos benutzen und nicht einmal nach den Opfern fragen könne.



Er wundere sich zudem, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) noch keine "Worte der Anteilnahme" gefunden habe, sagte Kolat. "Es ist eine sehr technische Diskussion, die jetzt wieder geführt wird. Aufklärung ist das eine, aber ich erwarte auch eine Geste der Regierung für die Hinterbliebenen." Kolat schlug vor, die Kanzlerin könne die Hinterbliebenen der Mordopfer einladen. "Das wäre eine Geste, wie ich sie erwarten würde", sagte Kolat.



Fehlende Anteilnahme

Anteilnahme fehlt Kolat auch in der deutschen Öffentlchkeit. "Wo bleiben die Reaktionen der Gewerkschaften und Kirchen? Einzig der Zentralrat der Juden hat sich bislang an unsere Seite gestellt. Dafür bin ich ihm dankbar", sagte er. "Ich erwarte eine Reaktion der zivilgesellschaftlichen Kräfte. Sie müssen von sich aus aktiv werden und sich einsetzen, nicht nur für uns Türken, für die gesamte Gesellschaft."



Zahlreiche gesellschaftliche Organisationen hatten nach Bekanntwerden der mutmaßlichen rechten Mordserie an Migranten am Montag eine Kurskorrektur bei der staatlichen Extremismusbekämpfung gefordert und eine jahrelange Verharmlosung des Rechtsextremismus angeprangert. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hatte sich am Sonntag erschüttert über das Ausmaß rechtsterroristischer Gewalt geäußert.



Innenminister widerspricht Vorwürfen gegen Ermittler

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat derweil dem Vorwurf widersprochen, dass die Sicherheitsbehörden bei Ermittlungen "auf dem rechten Auge blind" vorgegangen seien. Er sagte am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin, rechtsextremistische Hintergründe würden immer mit geprüft. Der Vorwurf einseitiger Ermittlungen ist von Oppositionspolitikern im Zusammenhang mit der rechtsextremistischen Terrorserie erhoben.



Zu den Konsequenzen aus den Verbrechen der Terrorzelle von Rechtsextremisten sagte Friedrich, bei der Innenministerkonferenz habe eine Koordinierungsgruppe zur Aufklärung politisch motivierter Straftaten von rechts bereits auf der Tagesordnung gestanden. "Das werden wir spezifizieren und auf Personen zuschneiden", sagte Friedrich. Er bekräftigte seine Position, wonach ein neues NPD-Verbotsverfahren mit einem hohen Risiko verbunden wäre.



Auch das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages befasst sich heute in Berlin mit der Morserie. Nach der informatorischen Unterrichtung will sich der Vorsitzende des Gremiums, der SPD-Abgeordnete Thomas Oppermann, dazu äußern. Das elfköpfige Gremium ist für die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste zuständig. Wegen der Neonazi-Morde durch die Terrororganisation "Nationalsozialistischer Untergrund" ist vor allem der thüringische Verfassungsschutz in die Schlagzeilen geraten.