Trierer Generalvikar will fairen Umgang mit queeren Menschen

"Ich nehme mir den Spielraum"

Die Initiative "#OutInChurch - für eine Kirche ohne Angst" fordert von der Kirche als Arbeitgeber ihre Rechte ein. Wie reagiert der Generalvikar aus dem Bistum Trier auf die Anliegen?

Mitarbeiter der katholischen Kirche outen sich als queer / © Guido Kirchner (dpa)
Mitarbeiter der katholischen Kirche outen sich als queer / © Guido Kirchner ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie sind einer der höchsten Personalverantwortlichen im Bistum Trier. Wie gehen Sie mit diesem Thema um, wenn zum Beispiel ein kirchlicher Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin eine eingetragene Partnerschaft eingehen möchte oder die "Ehe für alle" in Anspruch nehmen will?

Ulrich Graf von Plettenberg / © Helmut Thewalt (dpa)
Ulrich Graf von Plettenberg / © Helmut Thewalt ( dpa )

Dr. Ulrich Graf von Plettenberg (Generalvikar im Bistum Trier): Ja, wir legen Wert darauf, dass wir Einzelfalllösungen herbeiführen. Mein Vorgänger Georg Bätzing hat mir damals bei der Übergabe sehr deutlich gemacht, dass es bei uns keinen Fall geben soll, wo jemand wegen der Grundordnung aus dem Bistumsdienst entlassen wird. Das habe ich mir damals sehr zu Herzen genommen. Und die Fälle, die ich bislang in diesem Zusammenhang hatte, haben wir tatsächlich alle auch so lösen können, dass wir die Beschäftigungsverhältnisse fortführen konnten.

DOMRADIO.DE: Ist es ist für Sie ein Unterschied, ob es sich beispielsweise um einen Hausmeister in einer Schule handelt oder um Menschen, die in der Verkündigung arbeiten, zum Beispiel Religionslehrer, Pastoralreferenten oder Priester?

Von Plettenberg: Ich führe mit denjenigen, die ein solches Anliegen haben, ein persönliches Gespräch. Und dann suchen wir nach der passenden Lösungen für den Jeweiligen. Bei mir ist es da ganz wichtig, auch für die persönliche Situation des Einzelnen Respekt zu zeigen, eben nicht Angst zu machen. Ich weiß, dass diejenigen dann natürlich auch mit gewissen Ängsten zu mir kommen. Meistens hatten wir schon, entweder mit dem Justiziar oder Personalverantwortlichen ein Vorgespräch gehabt, haben da schon mal versucht abzuklären. Und ich bin schon meistens damit vorher auch konfrontiert worden. Aber ich lege Wert darauf, noch mal ein persönliches Gespräch zu führen, um dann auch den Respekt zu zeigen.

DOMRADIO.DE: Wie viel Spielraum haben Sie denn? Können Sie darüber einfach hinwegsehen? Oder sind Sie aufgrund des Kirchenrechts dazu verpflichtet, das Thema anders aufzugreifen?

Dr. Ulrich Graf von Plettenberg, Generalvikar im Bistum Trier

"Zunächst einmal braucht es den politischen Willen dazu."

Von Plettenberg: Nein, ich habe Spielraum, ich nehme mir auch den Spielraum. Es gibt natürlich kirchenrechtliche Einschränkungen. Das ist immer dann, wenn es öffentliche Ärgernisse  verursacht relevant. Aber das habe ich bisher in den fünfeinhalb Jahren, in denen ich jetzt Generalvikar bin, noch nicht erlebt. Ich nehme mir den Spielraum und schaue dann wirklich darauf, dass wir eine gute Lösung für beide Seiten finden.

DOMRADIO.DE: War Ihnen klar, wie viele queere Menschen unter dieser Situation leiden? Oder haben Sie auch erst, wie viele andere Menschen, durch die Initiative "#OutInChurch" diesen Einblick bekommen?

Katholische Verbände solidarisieren sich mit katholischer queerer Initiative

Rund 20 katholische Verbände und Organisationen solidarisieren sich mit queeren Katholikinnen und Katholiken. "Es darf nicht länger hingenommen werden, dass Menschen in kirchlichen Kontexten aus Angst gegenüber Kirchenvertreter*innen ein Schattendasein führen müssen, wenn sie nicht dem von der Kirche normierten Geschlechterbild entsprechen", heißt es in einer am Montag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung. Anlass sind Äußerungen der Betroffenen zu ihrer Sexualität beziehungsweise ihrer Geschlechteridentität im Rahmen einer bundesweiten Kampagne.

Homosexuelles Paar mit Armbändern in Regenbogenfarben / © chayanuphol (shutterstock)
Homosexuelles Paar mit Armbändern in Regenbogenfarben / © chayanuphol ( shutterstock )

Von Plettenberg: Also ich weiß, wie groß das Leiden ist. Ich wusste nicht, das muss ich ehrlich dazu sagen, wie viele davon betroffen sind. Aber ich habe ja durch die persönlichen Einzelgespräche, die ich bislang geführt habe, und darüber hinaus auch mit anderen Menschen in der Kirche, die eine solche Beziehung führen, ob das jetzt wiederverheiratete Geschiedene sind oder ob das queere Menschen sind, diesen Druck schon an verschiedenen Stellen gespürt. Ich habe gerade gestern einen persönlichen Brief bekommen von jemandem, der sich entsprechend geoutet hat und der im Vorfeld dann natürlich die Anfrage gestellt hat, bei uns als Dienstgeber, wie wir uns dazu verhalten. Er ist sehr, sehr dankbar für diesen positiven Umgang gewesen, den er im Bistum erfahren hat.

DOMRADIO.DE: Die Kampagne fordert Reformen beim kirchlichen Arbeitsrecht, damit sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität kein Kündigungsgrund mehr sind. Was muss denn passieren, damit das kirchliche Arbeitsrecht dahingehend geändert werden kann?

Von Plettenberg: Zunächst mal braucht es den politischen Willen dazu und da sehe ich uns als Generalvikare auch ziemlich in erster Linie. Sie haben es in der Anmoderation gesagt, dass wir mit die höchsten Personalverantwortlichen in den Bistümern sind. Und ich möchte gerne auch eine Abstimmung unter uns Generalvikaren herbeiführen, helfen, damit wir da erste Schritte einleiten können. Die Letztentscheider sind die Bischöfe. In dem Zusammenhang müssen die Bischöfe natürlich auch dafür gewonnen werden. Aber ich sehe dafür im Moment eine ganz gute Zeit gekommen.

DOMRADIO.DE: Ist das kirchliche Arbeitsrecht an den Katechismus der Katholischen Kirche gebunden?

Von Plettenberg: Das kirchliche Arbeitsrecht ist zunächst einmal etwas, was wir in Deutschland auf Ebene der Bischofskonferenz herbeiführen und aufstellen. Dass der Katechismus, der ja für die ganze Kirche gilt, da natürlich auch Maßstäbe gibt, ist klar. Aber beides sind nicht unumstößliche Gegebenheiten.

DOMRADIO.DE: Die Frage ist dann natürlich auch immer wieder: Wie lange wird es dauern, bis tatsächlich sich da auch etwas ändern kann? Da können Sie natürlich auch keinen Zeitraum nennen. Aber haben Sie so eine Idee oder Ahnung, ob das sich wieder ewig in die Länge zieht oder ob das vielleicht auch schneller gehen könnte?

Von Plettenberg: Da habe ich keine Ahnung. Natürlich muss, wie gesagt, der politische Wille erstmal da sein. Und der muss natürlich dann auch bundesweit da sein, in allen Bistümern. Wie lange so etwas dauert, kann ich im Moment nicht sagen. Für mich ist es aber auch erst einmal wichtig, dass diejenigen, die in dieser queeren sexuellen Orientierung sind, ihre Angst verlieren und dass wir auch in dieser Richtung schon mal deutliche Signale setzen. Sie sollen nicht meinen, wenn sie sich jetzt entsprechend outen und das auch in der Öffentlichkeit und auch dem Dienstgeber, dem Bistum, gegenüber kundtun, dass sie da irgendwelche Repressalien zu fürchten haben.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Quelle:
DR
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