Trauer um Rabbiner Henry G. Brandt

"Prägende Persönlichkeit"

Rabbiner Henry G. Brandt, eine herausragende Stimme im jüdisch-christlichen Dialog, ist tot. Er starb am Montag mit 94 Jahren in Zürich. Vertreter der jüdischen Gemeinschaft reagierten mit großer Trauer auf den Tod des Rabbiners.

Autor/in:
Leticia Witte und Christopher Beschnitt
Trauer um Henry G. Brandt / © Jörg Loeffke (KNA)
Trauer um Henry G. Brandt / © Jörg Loeffke ( KNA )

 

Den Tod Brandts bestätigten der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschland (ARK), Rabbiner Andreas Nachama, und der Berliner Rabbiner Jonah Sievers am Dienstag. Brandt war 14 Jahre lang Vorsitzender der ARK.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland würdigte ihn als eine der "prägenden Persönlichkeiten im liberalen Judentum sowie im jüdisch-christlichen Dialog in Deutschland". Präsident Josef Schuster erklärte, Brandt habe über Jahrzehnte "mit Klugheit und einem großen Wissen den jüdisch-christlichen Dialog geführt. Dabei ist es ihm gelungen, auch in schwierigen Phasen den Gesprächsfaden nie abreißen zu lassen. Beharrlich und ohne den eigenen Standpunkt zu verleugnen, hat er immer wieder Brücken zu den Kirchen geschlagen."

Josef Schuster / © Harald Oppitz (KNA)
Josef Schuster / © Harald Oppitz ( KNA )

Schuster würdigte Brandts Arbeit als Landes- und Gemeinderabbiner sowie als langjähriger Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschland. "Rabbiner Brandt war im besten Sinne Lehrer und Ratgeber. Er hinterlässt eine große Lücke."

Rabbiner Jonah Sievers

"Das deutsche Judentum hat ihm viel zu verdanken"

Rabbiner Sievers sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): "Das deutsche Judentum hat ihm viel zu verdanken." Sein Lehrer sei ein "extrem guter" Prediger gewesen und habe Menschen mitreißen können. Sievers unterstrich Brandts versöhnende Rolle trotz der Verfolgung seiner Familie in der NS-Zeit.

Charlotte Knobloch / © Dieter Mayr (KNA)
Charlotte Knobloch / © Dieter Mayr ( KNA )

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, betonte, dass Brandt wie kaum ein Zweiter dazu beigetragen habe, "nach der völligen Zerstörung das jüdische Leben in seinem Geburtsland Deutschland wieder aufzubauen".

Der gebürtige Münchner war seit ihrer Gründung 2005 für 14 Jahre Vorsitzender der liberal ausgerichteten ARK und seit 2019 Ehrenvorsitzender. Lange Jahre war Brandt zudem der Jüdische Präsident des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit sowie Mitglied des Gesprächskreises "Juden und Christen" beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK).

Mit Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet

Brandt wurde am 25. September 1927 in München als Heinz Georg Brandt geboren. Mit der Familie floh er in der NS-Zeit über Großbritannien ins damalige Palästina. Nach dem Krieg war Brandt Flottenoffizier in der israelischen Marine. Danach studierte er Nationalökonomie in Belfast. Später wandte er sich dem Rabbinatstudium zu, das er 1966 am Leo Baeck College in London abschloss.

Rabbiner Henry Brandt / © Stefan Puchner (dpa)
Rabbiner Henry Brandt / © Stefan Puchner ( dpa )

Es folgten Stellen in Leeds, Genf, Zürich und Göteborg. 1983 kehrte Brandt nach Deutschland zurück und war unter anderem Landesrabbiner von Niedersachsen und Westfalen-Lippe sowie Rabbiner für Schwaben-Augsburg und Bielefeld.

Für sein Wirken wurde Brandt vielfach ausgezeichnet, etwa mit dem Bundesverdienstkreuz, dem Bayerischen Verdienstorden, dem Klaus-Hemmerle-Preis und der Ehrenbürger-Würde Augsburgs.

Zentralrat der Juden

Der Zentralrat der Juden ist die Spitzenorganisation der jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik. Unter seinem Dach sind 23 Landesverbände mit 105 Gemeinden und ihren rund 100.000 Mitgliedern organisiert. Der Rat wurde 1950 in Frankfurt am Main gegründet. Damals lebten noch etwa 15.000 Juden in Deutschland. Vor dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust waren es bis zu 600.000.

Zentralrat der Juden in Deutschland vergibt Leo-Baeck-Preis / © Christian Ditsch (epd)
Zentralrat der Juden in Deutschland vergibt Leo-Baeck-Preis / © Christian Ditsch ( epd )
Quelle:
KNA