"TransFair"-Vorstand Overath über die Bedeutung fairen Handels

"Vor 25 Jahren hielt man uns für Spinner"

Vor 25 Jahren begann die Arbeit des Vereins "TransFair". Im Interview erklärt der "TransFair"-Vorstandsvorsitzende Dieter Overath, warum Fairtrade wichtig ist und wie sich der faire Handel auch mit Hilfe der Konsumenten durchsetzen kann.

Fairer Handel  / © Bernd Weissbrod (dpa)
Fairer Handel / © Bernd Weissbrod ( dpa )

KNA: Herr Overath, welche Reaktionen haben Sie auf das Vorhaben bekommen, sich mit "TransFair" für den fairen Handel einzusetzen?

Dieter Overath ("TransFair"-Vorstandsvorsitzende): Vor 25 Jahren hat man uns für Spinner gehalten: Die deutsche Hausfrau gibt nicht mehr Geld aus als nötig. Wir sind quasi mit Aldi groß geworden, preiswerte Lebensmittel gehören zu unserer DNA, so die landläufige Meinung.

KNA: Ist das heute noch immer so?

Overath: Inzwischen haben die Firmen gemerkt, dass der Anbau der Produkte attraktiver werden muss - sonst werden sie irgendwann Beschaffungsprobleme haben. Sie haben auch gemerkt, dass Konsumenten kritischer hinterfragen, woher das Produkt kommt und unter welchen Bedingungen es hergestellt wird. Das hat mehr Dynamik in die Bedeutung von Fairtrade gebracht. In den letzten 20  Jahren haben sich die Umsätze auf dem deutschen Markt verzwanzigfacht.

KNA: Und wie kommt fairer Handel bei den Konsumenten an - auch in Bezug auf den erhöhten Preis?

Overath: Mittlerweile sind die Preisabstände zwischen konventionellen und fairen Produkten nicht mehr so groß. Das liegt auch daran, dass viele Discounter und Handelsketten ihre Eigenmarken fair herstellen.

Ein Kilo Fairtrade-Bio-Bananen etwa kostet 1,69 Euro - das macht niemanden arm. Ein Pfund Fairtrade-Kaffee bekommt man schon für 4,79 Euro. Aber mit besonderen Qualitäten geht es dann natürlich auch im Preis hoch. Man hat hier unter Fairtrade die gleiche Vielfalt wie unter Nicht-Fairtrade - eine tolle Entwicklung.

KNA: Was haben Fairtrade-Waren für Vorteile?

Overath: Wenn die Produktionskosten vor Ort gedeckt sind, verringern sie die Gefahr ausbeuterischer Kinderarbeit. Kinder gehen ja nicht deswegen arbeiten, weil die Eltern das möchten, sondern weil das Familieneinkommen nicht ausreicht. Der zweite Punkt ist, dass die Strukturen vor Ort so gestärkt werden können, dass die zertifizierten Organisationen im Welthandel - wo sie eigentlich immer diejenigen sind, bei denen gedrückt wird und die abhängig sind - selbstbewusster auftreten können. Das ist die wichtigste Funktion von Fairtrade: dass die Produzenten besser organisiert werden, dass sie ihre Stimme erheben können und dass sie auch wissen, was ihre Produkte wert sind.

KNA: Welche Fairtrade-Produkte sind in Deutschland am beliebtesten?

Overath: Ich denke, Kaffee ist sowas wie das Synonym für fairen Handel. Deutschland ist eine Kaffeetrinker-Nation, und wir haben zum Glück auch viele Marken und Handelsketten, die Teile ihres Kaffees auf Fairtrade umgestellt haben. Ein weiteres Produkt sind Bananen.

Inzwischen haben Fairtrade-Bananen gut zehn Prozent Marktanteil in Deutschland - aber eben nur Bio-Bananen. Es gibt keine einzige konventionelle Fairtrade-Banane.

Sehr unterschätzt werden Blumen: Wir haben über 25 Prozent Anteil am Schnittrosen-Markt, und wenn man Rosen im Supermarkt kauft, egal wo, sind es größtenteils Fairtrade-Rosen. Das freut vor allen Dingen die Blumenpflückerin in Kenia und Äthiopien, weil der Blumenanbau in den Ländern inzwischen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Auch der Absatz von Kakao, Orangensaft und Baumwolle hat an Fahrt aufgenommen.

KNA: Bei der Produkt-Herstellung scheinen viele Produzenten immer mehr Wert auf Bio-Qualität zu legen ...

Overath: Bio ist nicht immer fair, und fair ist nicht immer bio. Wenngleich der deutsche Markt derjenige ist, der mit über 70 Prozent den höchsten Anteil an Bio-Produkten aller Fairtrade-Produkte hat.

Die Anbaurealität in vielen Ländern ist aber vielfach noch weit entfernt von "bio". Fairtrade holt die Kleinbauern da ab, wo sie in ihrer Entwicklung stehen.

KNA: Welche Aufgaben liegen noch vor Ihnen?

Overath: Im Lebensmittel-Bereich gibt es noch viele Waren aus dem globalen Süden, die nicht aus fairem Handel stammen. Ananas zum Beispiel, und die meisten Nüsse. In England, den Niederlanden oder der Schweiz gibt es schon viel mehr dieser Produkte fair gehandelt in den Regalen - da gibt es in Deutschland noch einiges zu tun.

KNA: Wie können die Konsumenten Sie dabei unterstützen?

Overath: Fast 90 Prozent der Menschen wollen definitiv keine Produkte aus Ausbeutung. Trotzdem sind die Marktanteile von Fairtrade-Produkten oft im einstelligen Prozent-Bereich oder sogar darunter. Diese Kluft müssen wir schließen. Das geht nur, indem sich die Konsumenten auch dazu äußern. Früher hieß es: Der Kunde ist König oder auch: Königin. Diesen Königsanspruch sollte man auch in der Praxis umsetzen.

KNA: In welchem Bereich sehen Sie die größte Herausforderung?

Overath: Die größte Herausforderung ist mit Sicherheit der Textilstandard, sprich: in eine ganze Produktionskette zu gehen. Vom Baumwoll-Anbau über die Spinnerei über die Färberei über die Konfektionierung. Hierbei ist es der Kampf um existenzsichernde Löhne, das ist das A und O! Das gilt aber auch für Bananen-Arbeiter und Co.: Die Löhne müssen sich erhöhen, damit die Familien davon vernünftig leben können.

Das Interview führte Sabine Just.


Dieter Overath / © TransFair e.V. / Foto: Rainer Holz
Dieter Overath / © TransFair e.V. / Foto: Rainer Holz
Quelle:
KNA