Töpfer: Große Koalition soll bei Energie- und Klimapolitik nachbessern

Vorreiterrolle übernehmen

Mehr Ehrgeiz von Union und SPD beim Klimaschutz fordert der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer. Die künftige Bundesregierung müsse gemeinsam mit der EU wieder eine Vorreiterrolle einnehmen, sagt der frühere Chef des UN-Umweltprogramms.

 (DR)

epd: Im Koalitionsvertrag der großen Koalition ist als Klimaziel eine Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes um mindestens 40 Prozent bis zum Jahr 2020 angegeben. Wie optimistisch sind Sie, dass dieses Ziel erreicht werden kann?

Töpfer: Wenn wir uns ansehen, welche Instrumente zur Erreichung dieses Ziels angeboten werden, muss ich sagen: Das wird sehr schwer sein. Die Verbesserungen der Energieeffizienz sind nicht so konkret ausgeprägt, dass man einen wirklich großen Beitrag zu Verminderung von CO2-Emissionen bekommt. Die Ausbaugeschwindigkeit bei der erneuerbaren Energie ist ganz sicher vermindert worden. Drittens gibt es keinen Anreiz, keinen ökonomischen Hebel dafür. Dass wir die immer noch notwendige ergänzende Stromerzeugung nicht mit Gaskraftwerken modernster Form, mit Kraft-Wärme-Kopplung machen, sondern mit sehr billigen Kohlekraftwerken, hat im letzten Jahr zu einem Anstieg der CO2-Emissionen geführt. Hier gilt es in der Realität der Regierungstätigkeit wirklich nachzubessern.

epd: Die Deutschen wollen zwar mehrheitlich die Energiewende, stöhnen aber über hohe Strompreise. Müssen nach Ihrer Auffassung neben Schwer- und Exportindustriebetrieben auch die Verbraucher entlastet werden, wenn die Zustimmung zur Energiewende nicht schwinden soll?

Töpfer: Wir können nicht davon ausgehen, dass alle Kosten der Entwicklungsforschung für erneuerbare Energien gleich in die Preise eingerechnet werden, die Sie und ich zu bezahlen haben. Das wird nicht gehen. Warum können wir das nicht in eine Fondslösung einbringen und auch ein bisschen weiter strecken, so wie wir das bei der Infrastruktur etwa im Straßenbau normalerweise tun? Die Stromkosten sind übrigens derzeit auch darum so hoch, weil durch die erneuerbaren Energien der Strompreis an der Börse gesunken ist. Je niedriger er ist, desto höher sind die Umlagen für die Erneuerbaren.

Dennoch spielen für die Energiekosten der Bürger das Auto und die Heizung eine wesentlich größere Rolle als die Strompreise. Ich meine aber auch: Wenn es möglich ist, die Energiekosten für stromintensive und exportorientierte Unternehmen zu senken - was richtig ist -, dann muss das auch möglich sein für diejenigen, die sozial belastet werden, wenn die Preise ansteigen.

epd: Sie haben immer wieder betont, dass eine gelingende Energiewende in Deutschland international Vorbild sei. Welche Chancen Sehen sie für eine globale Einigung auf mehr Klimaschutz, welche Rolle kann Deutschland dabei spielen?

Töpfer: Deutschland und mit Deutschland die Europäische Union müssen zwingend wieder eine führende Rolle einnehmen. Die haben sie im Augenblick nicht. Wir müssen belegen können, dass ein wirtschaftlich stabiles, exportorientiertes Land auch den Wohlstand für seine Bürgerinnen und Bürger erhalten kann, wenn es auf Kernenergie verzichtet und immer weniger CO2 emittiert. Wie können wir sonst erwarten, dass sich die ärmsten Länder der Welt Klimaschutz-Zielsetzungen unterwerfen? Armut ist in allererster Linie Energiearmut. Wir müssen diesen Ländern also auch die Technologien für die Nutzung erneuerbarer Energien anbieten, wenn die dortige Energieversorgung nicht Klimaprobleme auslösen soll. Das ist die globale Verpflichtung bei der Durchsetzung der Energiewende.

Das Interview führte Marlene Grund.


Klimawandel (dpa)
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