Christsein und Rassismus gehen im Süden der USA noch zusammen

Tiefe Wurzeln

Rassistisches Denken und die Ideologie weißer Fundamentalisten sind im Süden der USA historisch miteinander verwoben. Immer noch halten Teile der konservativen Christen die Vorherrschaft der Weißen für gottgegeben.

Autor/in:
Thomas Spang
Proteste gegen Rassismus / © Alison Wright (dpa)
Proteste gegen Rassismus / © Alison Wright ( dpa )

Alan Cross trat Anfang 2000 seine Pastoren-Stelle in Montgomery im US-Bundesstaat Alabama an. Er wusste von den Predigten, die Martin Luther King hier gegen die Rassentrennung gehalten hatte. Weniger geläufig war Cross die Geschichte, wie weißer Mob im Mai 1961 an der "Greyhound"-Busstation Aktivisten der "Freedom Raiders" auflauerte. Sie schlugen die Bürgerrechtler mit Baseballschlägern brutal zusammen.

Christen und Rassismus

Je mehr sich Cross mit der Geschichte seiner neuen Gemeinde beschäftigte, desto drängender stellte sich ihm eine Frage: Wo waren bei dem Übergriff auf die "Freedom Riders" die weißen Christen der Stadt? Er fand heraus, dass viele bei den Tätern mitmachten. Brave Kirchgänger, die Rassismus für gottgefällig hielten.

So predigten das seinerzeit auch die Kirchenoberen der Southern Baptist von der Kanzel. Henry Lyon zum Beispiel, der damals wohl prominenteste weiße Pastor Montgomerys, sprang dem Mob von der Kanzel zur Seite. "Ich glaube an die Trennung der Rassen und bin trotzdem Christ", erklärte er unter dem Beifall der Gottesdienstbesucher.

Für Cross ein Widerspruch, der ihn fortan beschäftigte und mit dem er sich Jahre später in seinem Buch "Wenn Himmel und Erde kollidieren" auseinandersetzte. Der Kern des rassistischen Denkens unter weißen Fundis habe damit zu tun, dass der Wohlstand des Südens lange auf der Sklavengesellschaft beruhte.

Wurzeln in der Vergangenheit

Darauf weist auch Carolyn Renee Dupont hin. Die Historikerin an der Eastern Kentucky University sieht einen klaren Zusammenhang zwischen Wirtschaft und religiöser Weltanschauung. Deshalb verteidige dieser Teil des Landes, "der am eifrigsten glaubt, die Vorherrschaft der Weißen am enthusiastischsten".

Die Wurzeln dafür reichen weit zurück. "Knechtschaft ist ein normaler Zustand," verkündete schon 1861 Pfarrer James Henley Thornwell von der Kanzel. Der fromme Sklaven-Halter zitierte zur Rechtfertigung seines Tuns gerne aus dem Brief des Apostels Paulus an die Epheser. "Sklaven, gehorcht euren Herren."

Sklaverei war in den Köpfen der Menschen notwendig, "damit der Süden gedeihen konnte", so der Direktor des Zentrums für die Geschichte über Bürgerrechte an der Universität South Carolina, Bobby Donaldson. Das veranlasste Kirchenmänner des Südens nach Bürgerkrieg und Sklavenaufständen, das rassistische System mit Bibel-Zitaten zu legitimieren.

Viele leugnen strukturellen Rassismus

Heute habe der Rassismus eine andere Gestalt angenommen, weiß der Gründer des Public Religion Research Institute (PRRI), Robert P. Jones. Die Southern Baptist etwa habe Rassismus längst als Sünde gebrandmarkt. Doch es gebe viele im konservativen christlichen Lager, die leugneten, dass struktureller Rassismus ein Problem in den USA sei. Jones verweist auf einen Fundus an Umfragen, die diese Einstellung bestätigen.

Schon Martin Luther King machte 1963 aus dem Gefängnis heraus weiße Kirchenanführer für Rassismus verantwortlich. Rassengerechtigkeit sei kein Thema, "wenn dies bedeute, die lokale Machtstruktur in Frage zu stellen", notierte er handschriftlich.

Soziale Gerechtigkeit kein vorrangiges Thema unter weißen Evangelikalen

Doch soziale Gerechtigkeit war noch nie ein vorrangiges Thema unter weißen Evangelikalen. Ein "soziales Evangelium" wird ebenso abgelehnt wie das Eintreten für "Black Lives Matter" oder die Rechte von Einwanderern, sagt Historikerin Dupont. Das werde von den Fundamentalisten als politisches, nicht als christliches Anliegen gesehen.

PRRI-Gründer Jones sieht das in seinen Umfragen bestätigt. Für Evangelikale stehen persönliche Frömmigkeit und Seelenheil an erster Stelle. Deshalb kommt Trump damit davon, gegen Asylsuchende vorzugehen, Rassismus zu verharmlosen und schamlos mit Religion für seine Wiederwahl zu werben. Der Präsident knüpfe an die Historie des Südens an, wenn er die Vormachtstellung der Weißen in den Mittelpunkt stelle.

Rassisten, die sich auch für Christen halten, fühlen sich davon angesprochen. So wie Dylan Roof, der Attentäter von Charleston. Der gläubige 21-Jährige hatte im Juni 2015 neun Schwarze während einer Bibelstunde in der Kirche erschossen. Reue zeigt er bis heute nicht. Im Gefängnis zeichnete er Kreuze und einen weißen Jesus.


Quelle:
KNA