Die Theologin Barbara Haslbeck sieht beim Einsatz für erwachsene Frauen, die in der Kirche sexuellen Missbrauch erfahren haben, noch Luft nach oben. "Das Problembewusstsein ist in den letzten Jahren insgesamt gestiegen", sagte Haslbeck am Dienstag im Interview des Portals katholisch.de.
"Dennoch machen Frauen bei kirchlichen Stellen und Leitungspersonen schwierige Erfahrungen, da diese in der Regel auf die Situation geschädigter Minderjähriger spezialisiert sind." Entwicklungsbedürftig seien auch die rechtlichen Regelungen und Verfahrensregeln.
Haslbeck, die an der Universität Regensburg zu sexualisierter Gewalt und spirituellem Missbrauch gegenüber Frauen im kirchlichen Kontext forscht, äußerte sich anlässlich des Welttags gegen Gewalt an Frauen. Obwohl das Ausmaß des kirchlichen Missbrauchsskandals vor 15 Jahren erstmals deutlich wurde, sei die Frage betroffener erwachsener Frauen erst später aufgekommen.
Kern des Glaubens verdunkelt
Bei missbrauchsbetroffenen Frauen kämen neben psychischen weitere gravierende Folgeerscheinungen hinzu, betonte die Theologin. "Der Kern des Glaubens wird durch den Missbrauch verdunkelt." Dazu stünden sie vor der Gefahr, schwanger zu werden. "Das löst für Betroffene enorme Ängste und Sorgen aus. Bis hin dazu, dass das bedeuten kann, dass sie zur Abtreibung gezwungen werden."
Wichtig für die Frauen seien Beratungsangebote, die ihre inneren Prozesse begleiteten. Ein spezifisches Angebot, das eine Lücke schließe, sei die Anlaufstelle "Gegen Gewalt in der Kirche" der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), bei der Haslbeck mitarbeitet. Dazu gebe es in immer mehr Bistümern Ansprechpersonen. "Dennoch bleiben Betroffene immer noch häufig mit dem Gefühl zurück, nicht über das Erlebte sprechen zu können."
Um sexuellen Missbrauch an Frauen in der Kirche so weit wie möglich zu verhindern, sollten Seelsorgerinnen und Seelsorger in ihrer Aus- und Fortbildung viel in die Reflexion ihrer eigenen Rolle investieren, so Haslbeck. Dazu bringt sie die Forderung ins Spiel, Seelsorge dem Setting einer Psychotherapie rechtlich gleichzustellen. Laut Paragraf 174c des Strafgesetzbuchs wird jede sexuelle Handlung in der Psychotherapie als strafbar gekennzeichnet. "Es muss klar sein: Seelsorge schafft ein Abhängigkeitsverhältnis und deshalb sind sexuelle Handlungen tabu."