Theologe lobt “Jesus Christ Superstar” in Bad Hersfeld

"So ein Thema begeistert"

Auch in Zeiten hoher Kirchenaustritte strömten die Menschen ins Musical “Jesus Christ Superstar”, sagt der Theologe Marcus Leitschuh. Die Inszenierung in Bad Hersfeld beginnt mit einer Provokation und einem Fingerzeig zur Gegenwart.

 Der Sänger und Schauspieler Andreas Bongard spielt in Bad Hersfeld den Jesus von Nazareth / © Uwe Zucchi (dpa)
Der Sänger und Schauspieler Andreas Bongard spielt in Bad Hersfeld den Jesus von Nazareth / © Uwe Zucchi ( dpa )

DOMRADIO.DE: Jesus Christ Superstar vor der Kulisse einer Kirchenruine. Besser geht es nicht, oder?

Marcus Leitschuh (Theologe): Es passt sehr gut. Die letzten Tage, die letzten Stunden aus dem Leben Jesu Christi in einer Kirchenruine, die aber auch modernste Theatertechnik hat. Das ist einfach perfekt. Das passt und das macht Spaß.

Jesus am Kreuz / © Uwe Zucchi (dpa)
Jesus am Kreuz / © Uwe Zucchi ( dpa )

DOMRADIO.DE: Im Zentrum ein gigantisches Kreuz, zehn Meter hoch, das im Mittelpunkt der ganzen Aufführung steht?

Leitschuh: Ja, das liegt am Anfang auf Rollen auf dem Boden und es kann genutzt werden als Rampe. Dann nimmt man das Gewicht auf eine Seite und Jesus kann empor laufen. Oder es wird genutzt als Tisch beim letzten Abendmahl, immer wieder verrollt, an andere Stellen gebracht.

Am Ende, man erwartet es natürlich irgendwo, ist es dann auch das Kreuzigungs-Kreuz. Jesus wird da angeschraubt, er ist ganz klein. Man kann sich das vorstellen bei einem Menschen, der fast zwei Meter groß ist - der wirkt sehr, sehr klein. Und dann wird er hochgezogen unter den Sternenhimmel. Das ist sehr eindrucksvoll und zeigt auch die Zerbrechlichkeit dieses Jesus Christus.

Marcus Leitschuh

"Das ist sehr eindrucksvoll und zeigt auch die Zerbrechlichkeit dieses Jesus Christus."

DOMRADIO.DE: Die große Frage bei diesem Musical ist ja immer: Passt das noch in unsere Zeit? Was würden Sie sagen?

Leitschuh: Das ist faszinierend. Dieses Stück wird bejubelt in einer Zeit, wo wir parallel die Meldung hatten in der Premierenwoche, dass die höchsten Kirchenaustrittszahlen da sind. Die Menschen sind begeistert von dieser Geschichte und auch berührt von den Botschaften, die der Regisseur und die Choreografie und die Schauspielerinnen und Schauspieler rüberbringen, nämlich dass Heilung möglich ist, dass Freundschaft möglich ist, dass Vergebung möglich ist, dass Liebe möglich ist und dass es Gottes Segen gibt. Und das ist doch eigentlich wunderbar, gerade in dieser Zeit, wenn man das erlebt, dass so ein Thema begeistert.

Das Stück wird in einer alten Kirchenruine aufgeführt / © Uwe Zucchi (dpa)
Das Stück wird in einer alten Kirchenruine aufgeführt / © Uwe Zucchi ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie sehen die Kostüme aus? Die Jünger zum Beispiel, wie werden die dargestellt?

Leitschuh: Es gibt historische Andeutung. Der römische Herrscher hat ein Gewand an, das auf der einen Seite an einen klassischen Römer aus einem Sandalenfilm erinnert. Der Herodes trägt den Kindermord von Rubens als Motiv auf seinem Kostüm. Jesus hat das Turiner Grabtuch um als so eine Art Kutte, die er trägt. Es werden immer Fotografien und Ausschnitte aus berühmten Gemälden der Kirchengeschichte sozusagen verfremdet. Und die Jünger Jesu tragen dann von Da Vinci zum Beispiel Ausschnitte vom Letzten Abendmahl.

Marcus Leitschuh

"Dann grabscht er auch Richtung der Messdiener, die angstvoll vor ihm zurückweichen - also eine ganz radikale Aktualisierung in die Gegenwart."

DOMRADIO.DE: Man darf so ein Musical ja nicht groß verändern, aber man hat sich in Bad Hersfeld was einfallen lassen.

Leitschuh: Ja, man hat es aktualisiert, bevor das eigentliche Stück beginnt. Da kommt ein sehr alter, gebrechlicher Priester durch die riesige Ruine ganz langsam nach vorne gelaufen, hat ein paar Messdiener dabei mit Weihrauch. Die sehen alle nicht mehr ganz frisch aus: ihre Gewänder sind halb zerlumpt, dreckig, ein bisschen durchgeschwitzt.

Er hält eine fünfminütige Predigt, die tatsächlich auch in jeder Kirche heute gehalten werden könnte. Wo man sich immer fragt, ist das jetzt Satire oder ist das tatsächlich ein Zitat? Dann grabscht er auch Richtung der Messdiener, die angstvoll vor ihm zurückweichen. Also eine ganz radikale Aktualisierung in die Gegenwart.

Der Sänger und Schauspieler Tim Al-Windawe spielt den Judas Ischariot  / © Uwe Zucchi (dpa)
Der Sänger und Schauspieler Tim Al-Windawe spielt den Judas Ischariot / © Uwe Zucchi ( dpa )

Dann kommt der Kniff: Beim allerersten Ton der Ouvertüre kommen die Jesus-Jünger und ziehen diesen Mann aus. Man muss immer wissen, die ersten Töne sind die späteren Peitschenhiebe, die auch dann auf Jesus ausgehen, und in diesen Peitschenhieben entreißen sie ihm quasi diese alten Gewänder. Darunter kommt dann der Darsteller des Jesus zu Tage, der dann aus dieser Rolle heraus den Jesus spielt. Also eine Provokation, die aber nicht ein großer Aufreger ist, sondern eher zeigt, dass man dieses Stück durchaus aktualisieren darf.

Marcus Leitschuh

"Es lohnt sich auf jeden Fall für jene, die sich von Jesus Christus berühren lassen möchten."

DOMRADIO.DE: Das ganze Spektakel kostet unter der Woche 50 Euro, an den Wochenenden 70 Euro. Lohnen die sich?

Leitschuh: Auf jeden Fall. Sie haben ein Orchester mit 23 Menschen, mit einem super Dirigenten, mit den besten Schauspielern und Sängern, die man hier in Deutschland im Sommer erleben kann im Bereich von Musicals. Sie haben eine grandiose Kulisse.

Wenn das Wetter noch mitspielt, haben sie auch einen tollen Abend vorher und nachher. Und ganz ehrlich: Wenn Sie heute in ein großes Musicalhaus fahren, da zahlen Sie zum Teil für die besten Plätze 200 Euro. Das lohnt sich auf jeden Fall, nach Bad Hersfeld zu fahren. Nicht nur, wenn man sich von der Geschichte von Jesus Christus schon begeistert fühlt, sondern vielleicht auch berühren lassen möchte.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Quelle:
DR