Theologe Halik appelliert an kirchliche Veränderung

"Das Spannendste ist noch vor uns"

Nach Einschätzung des tschechischen Theologen Tomas Halik kann sich die Kirche nur durch eine Umwandlung in eine "Weggemeinschaft" aus einer institutionellen "Starre" befreien. Die Geschichte zeigt viele derartige Veränderungsprozesse.

Tomas Halik / © Cristian Gennari (KNA)
Tomas Halik / © Cristian Gennari ( KNA )

Das Ziel sei für ihn eine ökumenische Gemeinschaft im weitesten Sinne, sagte der katholische Priester und Religionsphilosoph im Interview der Zeitschrift "Publik-Forum" (Freitag).

Pluralität der Postmoderne

Die bestehende Form des Christentums habe "ihre Vitalität, ihre Überzeugungskraft, ihre Klarheit und Plausibilität" verloren und müsse durch eine andere ersetzt werden, so Halik. In der Geschichte des Christentums habe es viele solcher Veränderungen gegeben. An der Schwelle zur Moderne sei das Christentum als "kulturpolitisches Imperium" zusammengebrochen. Es sei ersetzt worden durch eine Form des Christentums als Konfession, als eine "Weltanschauung". Diese Form verschwinde in der kulturellen Pluralität der Postmoderne.

Heute seien zwei neue Formen des Christentums im Entstehen begriffen: eine "nichtkirchliche Spiritualität, der Hauptkonkurrent des kirchlichen Christentums", und eine "politische Nutzung des Christentums als identitätspolitische Ideologie der extremen Rechten", so der 73 Jahre alte Theologe. "Die Synodale Reform, die Papst Franziskus angestoßen hat, könnte ein dritter Weg sein, wenn sie gelingt", sagte er.

Wie vor der Reformation?

Die heutige Situation der Kirche erinnere an die Situation kurz vor der Reformation. "Ich glaube, wir haben das Spannendste noch vor uns", sagte der Theologe. "Vielleicht war der Schock, den die Enthüllung der Pandemie des sexuellen und psychischen Missbrauchs auslöste, eine der dramatischsten Erschütterungen." Wie die Skandale um den Ablasshandel im Mittelalter hätten diese Skandale die Notwendigkeit tiefgreifender Reformen deutlich gemacht.

Er wünsche sich die Kirche als eine "Schule der Weisheit" nach dem Vorbild mittelalterlicher Universitäten, betonte Halik. Er verglich die Kirche mit einem Krankenhaus, das Diagnose, Therapie, Prävention und Rehabilitation für die "Übel unserer Zeit" bieten solle, wozu Populismus, Nationalismus und Fundamentalismus zählten. Der Prager Theologe gehörte zu den Beratern des früheren tschechischen Präsidenten Vaclav Havel (1936-2011).

Quelle:
KNA